Klimawandel in der Geschichte der Science-Fiction
Fritz Heidorn
Der renommierte US-amerikanische Science-Fiction Kenner und Kritiker Gary Westfahl, ein Literaturprofessor an der University of California, Riverside, und der University of La Verne, kommt in seiner Studie „Cold Shoulders and Hot Hands: A History of Climate Change in Science Fiction“ (2020) zu dem Schluss, das in der langen Geschichte der Science-Fiction Literatur das Thema Klimawandel oft behandelt worden ist, allerdings in anderen Kontexten, als dies heutzutage in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion der Fall ist.
In frühen Werken der 1970er Jahre wurde vor allem das Thema einer neuen Eiszeit behandelt. Es gibt zahlreiche Erzählungen über eine erkaltete oder eingefrorene Erde. In den folgenden Jahrzehnten waren viele Schriftsteller über eine kommende Eiszeit besorgt, was in den Romanen oft mit einer erkaltenden Sonne in Verbindung gebracht worden ist.
In den 1980er Jahren stand das Thema eines „Nuklearen Winters“ im Vordergrund der Besorgnisse vieler Science-Fiction Schriftsteller. Diese Aussage ist interessant, weil damals erstmalig die Warnungen kritischer Wissenschaftler über die Folgen eines Atomkriegs in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Der Begriff „Nuklearer Winter“ stammt von dem berühmten Astrophysiker Carl Sagan, der gemeinsam mit dem Biologen Paul R. Ehrlich und anderen eine wissenschaftliche Konferenz über den nuklearen Winter organisiert und die interdisziplinären und für die damalige Zeit ungewöhnlichen und politisch unliebsamen Forschungsergebnisse in dem Buch „The Cold and the Dark. The World after Nuclear War“ (1984) publiziert hatte.
Warnungen vor einer kälter werden Erde dominierten die Science-Fiction, während Erzählungen über eine Erde, die zu einem tropischen Dschungel wird, seltener sind. Hinzukommen dann Geschichten über Sintfluten, die die Erde heimsuchen, ebenso ein berühmter Film mit Kevin Kostner in der Hauptrolle: „Waterworld“ (1995).
Erst ab den 1990er Jahren dringen Erzählungen über den menschengemachten Klimawandel in die Science-Fiction Romane. Tatsächlich hat das Genre Science-Fiction, so schreibt Westfahl, das Thema Klimawandel behandelt, lange bevor es die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern, Politikern und der Öffentlichkeit erreicht hatte. Allerdings seien bei der überaus größten Mehrheit der Erzählungen die Menschen als Opfer eines sich wandelnden Klimas geschildert worden, unfähig, diese Entwicklungen zu verhindern und damit verdammt, sich entweder an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen oder zu anderen Planeten auszuwandern.
Damals gab es, so bilanziert Westfahl, nur eine begrenzte Anzahl von Geschichten, die von wissenschaftlichen Versuchen, den Klimawandel zu verhindern, erzählt haben.
„Overall, then, considerations of how science fiction has depicted climate change must be both a celebration, and a condemnation, of the genre: writers have repeatedly described the disastrous effects of future changes in Earth’s climate, but they have largely failed to describe possible efforts to prevent such changes or counteract their effects. Perhaps this is simply a consequence of the imperatives of involving storytelling: there is great drama in describing people struggling to survive on a drastically transformed and now threatening Earth, and there is great drama in describing how an arid planet with a thin atmosphere like Mars might be converted into a replica of Earth; yet there is less drama in describing a successful effort to remake Earth into the familiar planet that it used to be”.
„Insgesamt müssen also Überlegungen, wie die Science-Fiction den Klimawandel dargestellt hat, sowohl eine Feier als auch eine Verurteilung des Genres sein: Schriftsteller haben wiederholt die unheilvollen Auswirkungen zukünftiger Veränderungen des Erdklimas beschrieben, aber sie haben es weitgehend versäumt, mögliche Anstrengungen zu beschreiben, solche Veränderungen zu verhindern oder ihren Auswirkungen entgegenzuwirken. Vielleicht ist dies einfach eine Konsequenz aus der Notwendigkeit, Geschichten zu erzählen:
Es ist sehr dramatisch, Menschen zu beschreiben, die auf einer drastisch veränderten und jetzt bedrohlichen Erde ums Überleben kämpfen, und es ist sehr dramatisch, zu beschreiben, wie ein trockener Planet mit einer dünnen Atmosphäre wie der Mars in eine Nachbildung der Erde verwandelt werden könnte; aber es ist weniger dramatisch, einen erfolgreichen Versuch zu beschreiben, die Erde wieder zu dem vertrauten Planeten zu machen, der sie einmal war.”
Erst im Oktober 2020 legt der US-amerikanische Bestseller-Autor Kim Stanley Robinson mit dem Roman „The Ministry for the Future“ (2020) ein Werk vor, dass schildert, wie die Menschen den Klimawandel, nach vielen Irrwegen, Umwegen und globalen Katastrophen, erfolgreich abschwächen. Westfahl schreibt zum Schluss, dass, bei der Abwesenheit von außerirdischen Rettern, die Menschen wohl selbst sich als willens und fähig erweisen müssten, um zukünftige Katastrophen zu verhindern, die aus dem menschengemachten Klimawandel entstehen. Die entscheidenden Ideen dazu würden allerdings nicht von den Schriftstellern, sondern von besorgten Wissenschaftlern kommen.