Die Grundlagen einer Solar-Wasserstoff-Wirtschaft gehen zurück auf Konzepte in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts: Bockris und Justi (1980) sprechen in ihrem Standardwerk „Wasserstoff – Energie für alle Zeiten“ von einer „kranken Energiewirtschaft“[1], die einen „mittelfristigen Gesundungsplan“ benötigt. Dafür schlagen sie wie viele ihrer Nachfolger als Lösungsansatz die solare Wasserstoff-Wirtschaft vor. Im Grunde sind die fachlichen Grundlagen einer solaren Wasserstoff-Wirtschaft recht einfach, die Schwierigkeiten liegen in der technischen Umsetzung. Sonnenenergie wird verwendet, um durch Photolyse Wasser in seine chemischen Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Diese Gase können in gasförmigem Zustand, in flüssigem Zustand oder durch die Verbindung von Wasserstoff und Metallhydriden gespeichert werden. In einer Brennstoffzelle werden die beiden Gase unter der Freisetzung von Energie wiedervereinigt. Die Energie kann zur Gewinnung von Arbeit eingesetzt werden, z.B. als Antriebsaggregat in einem Fahrzeug oder Raumschiff oder zur Bereitstellung von elektrischer Energie in Gebäuden. Als Abfallprodukt entsteht lediglich Wasser. Die Primärenergie kommt von der Sonne, das Verfahren ist sehr umweltfreundlich.
Elemente einer solaren Wasserstoff-Wirtschaft und der Verkehrswende tauchen bereits in frühen Überlegungen der Gegner von Atomkraftwerken auf, zum Beispiel in dem Katalog über Energie-Alternativen[2] des Energie- und Umweltzentrums Springe-Eldagsen am Deister, in dem eine Arbeitsgruppe in den Jahren 1979 bis 1981 Alternativen zur damals vorherrschenden Fixierung auf Atomenergie der Öffentlichkeit in einer Wanderausstellung präsentierte. Diese Wanderausstellung mit dem Schwerpunkt dezentraler Lösungen wurde damals unterstützt vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und teilweise finanziert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Die Industrie entwickelte in den achtziger und neunziger Jahren mit dem „Desertec“- Konzept[3] eine Art zentraler „Solarplan für das Mittelmeer“, nach dem in der sonnenreichen Sahara durch Photovoltaik-Anlagen vor Ort Wasserstoff erzeugt werden sollte, der dann über die Umwandlung in elektrische Energie über Hochspannungsleitungen Energie nach Deutschland liefern sollte. Dieses Großprojekt hat in den Jahren 2004 bis 2007 verschiedene wissenschaftliche Machbarkeits-Studien des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) produziert, ist allerdings nie umgesetzt worden. Seit dem Jahre 2014 wurde die Initiative verkleinert, die Planungsgesellschaft wurde aufgelöst und die Zentrale wurde von München nach Dubai verlegt. Die geplante Implementierung ist offen, es gibt lediglich kleine Pilotprojekte in der Region.
Das Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellen- Auto
Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb und Brennstoff-Zellen gibt es bislang kaum auf der Straße. Wasserstoff-Busse verkehren bislang nur in Hamburg und in Berlin. Warum gibt es noch keine serienreifen, bezahlbaren Wasserstoff-PKWs, obwohl die Technologie bereits seit fünfzig Jahren bekannt ist? Horst Teltschick verteidigt in der Rubrik „Außenansicht“ der Süddeutschen Zeitung vom 23.8.2017die deutsche Automobilindustrie und greift die Politik frontal an. Zur Entwicklung von Wasserstoff-Fahrzeugen schreibt er:
„Schon 1979 hatte BMW das erste Auto mit Wasserstoff-Antrieb als Prototyp eines schadstofffreien Zukunftsautos vorgestellt. Die bayerische Staatsregierung hatte über einige Jahre in Neunburg vorm Wald eine Testanlage zur Produktion von Wasserstoff durch Photovoltaik eingerichtet und finanziert. BMW und andere Firmen hatten sich beteiligt. Auf dem Münchner Flughafen wurde 1999 die erste Wasserstofftankstelle betrieben. BMW produzierte eine Serie wasserstoffbetriebener Fahrzeuge der 7er-Serie und führte sie der Öffentlichkeit auf der Expo 2000 in Hannover und auf dem Pariser Platz in Berlin vor. Auf der IAA 1999 in Frankfurt wurde demonstriert, wie Flüssigwasserstoff produziert werden könnte. Eine Pilottankstelle war gemeinsam mit Shell aufgebaut worden, um die automatische Betankung zu demonstrieren, bei der die Fahrer ihr Auto nicht verlassen müssen. Die Fahrzeuge emittierten lediglich unschädlichen Wasserdampf, der abgekühlt trinkfähig war[4].“
Ein kurzer Blick in die Geschichte des Wasserstoff- bzw. Brennstoffzellen- Autos macht deutlich, dass die Technologie schon seit langem bekannt, aber offenbar schwierig in marktfähige Massenprodukte umzusetzen ist. Die alkalische Brennstoffzelle stammt aus der amerikanischen NASA-Raumfahrt der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, ist also in den Grundzügen bereits fünfzig oder sechzig Jahre alt. Das erste Brennstoffzellen-Fahrzeug mit flüssigem Wasserstoff und flüssigem, tiefgekühltem Sauerstoff wurde in dem General Motors Electrovan im Jahre 1966 eingesetzt[5]. Der in den USA tätige Österreicher Karl Kordesch (1922-2011) stattete einen Austin A-40 mit einer alkalischen 6kW-Brennstoffzelle aus. Der Wagen erreichte mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h immerhin eine Reichweite von 300 Kilometern.
Die Entwicklung der neuen Technologie wurde durch die Ölkrise in den siebziger Jahren und die Gesetzgebung in Kalifornien beschleunigt. Daimler-Benz war zu Beginn der neunziger Jahre führend mit seinen NECAR-Fahrzeugen („New Electric Car“, später: „No Emission Car“). Das erste NECAR-Fahrzeug war ein Mercedes-Benz-Transporter MB100 ohne Ladekapazität. Danach folgte ein Wechsel auf die Plattform der A-Klasse sowie der im Jahre 2002 vorgestellte F-Cell, von dem bis 2004 mehr als 60 Fahrzeuge produziert wurden. Auf der IAA 1997 schließlich verkündete Daimler-Benz, ein Brennstoffzellen-Serienfahrzeug auf den Markt bringen zu wollen, ursprünglich in Kalifornien ab 2010 mit ca. 100.000 Fahrzeugen jährlich. Der kommerzielle Markteintritt wurde dann auf das Jahr 2017 verschoben. Auf der 15. Weltwasserstoff-Konferenz in Yokohama im Jahre 2004 kamen weitere Automobil-Konzerne mit an Bord: GM/Opel, Nissan, Honda, Toyota. Die erste Serienproduktion wurde von Honda im Jahre 2008 mit dem FCX Clarity vollzogen. Inzwischen hat sich die Automobil-Industrie auf 700bar-Wasserstoff-Tanks festgelegt, um eine Reichweite von 500 Kilometern sicher zu ermöglichen.
Im Herbst 2009 unterzeichneten die Automobil-Hersteller Daimler, Ford, GM/Opel, Honda, Hyundai-Kia, Renault-Nissan und Toyota ein Memorandum, um die Wasserstoff-Technologie ab dem Jahre 2015 zu kommerzialisieren. Weiterhin gründeten die Unternehmen EnBW, Linde, OMV, Total und Vattenfall unter Führung der Daimler AG das Konsortium „H2Mobility“, das ein flächendeckendes Wasserstoff-Tankstellen-System aufbauen soll. Geplant war, bis 2015 fünfzig solcher Wasserstoff-Tankstellen aufgebaut zu haben. Im Jahre 2017 gibt H2Mobility an, die ersten 100 Wasserstoff-Tankstellen bis 2018/2019 errichten zu wollen und in der zweiten Phase bis 2023 sollen 400 Wasserstoff-Tankstellen eine flächendeckende Versorgung der Wasserstoff-Infrastruktur gewährleisten[6]. Die App „H2Live“ ermöglicht schon heute den Blick auf die vorhandenen Stationen.
Mercedes präsentierte auf der IAA 2017 das serienreife Brennstoffzellen-Fahrzeug GLC F-Cell als Plug-In-Hybrid, das eine Kombination aus einer Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzelle und einer Batterie mit einer Reichweite von insgesamt 500km besitzt, davon 50 rein elektrisch. Preise und Markteinführung sind noch nicht bekannt. Die Szene munkelt von etwa 60.000€, was immer noch unter den Preisen der Brennstoffzellen-Autos von Hyundai mit 65.400€ oder von Toyota mit über 80.000€. Mercedes setzt allerdings eher auf die Einführung reiner Elektrofahrzeuge und behandelt ihr Brennstoffzellenauto als Nischenprodukt.
[6] http://h2-mobility.de/h2-stationen/. Abgerufen am 9.10.2017.
[5] Jochen Lehmann, Thomas Luschtinetz: Wasserstoff und Brennstoffzellen. Unterwegs mit dem saubersten Kraftstoff. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg 2014, Seite 114ff.
[4] Horst Teltschick: Schwarzer Peter. In: Süddeutsche Zeitung, Aussenansicht, 23.8.2017, Seite 2.
[3] Sven Geitmann: Energiewirtschaft 3.0. Mit Wasserstoff und Brennstoff-Zellen. Hydrogeit-Verlag, Oberkrämer 2012, dritte Auflage.
[2] Energie- und Umweltzentrum am Deister e.V.: Es geht auch anders. Ein Katalog über Energie-Alternativen. Springe-Eldagsen am Deister, zweite Auflage 1983.
[1] John O´M Bockris und Eduard W. Justi: „Wasserstoff – die Energie für alle Zeiten. Konzept einer Sonnen-Wasserstoff-Wirtschaft. Udo Pfriemer Verlag, München, 1980“, Seite 13.