Dies ist die Zeit für Science-Fiction. Science-Fiction wird zumindest für einen gewissen Zeitraum realer werden und das wirkliche Leben wird in Science-Fiction Romanen auftauchen, die aus der Vergangenheit zu kommen scheinen und die wir alle in der Gegenwart gemeinsam schreiben, um für die Zukunft vorbereitet zu sein.
Kim Stanley Robinson legt am 6. Oktober 2020 sein Meisterwerk vor, ein Buch über „das gute Anthropozän“. Der Roman „The Ministry for the Future“ (2020) schildert die komplexen politischen, finanziellen und persönlichen Verwicklungen bei der Bekämpfung der Folgen des Klimawandels. Die Erzählung ist sehr spannend und die verschiedenen Handlungsstränge erscheinen zunächst über weite Strecken als unvereinbar und unlösbar, bis schließlich der Gordische Knoten der Handlungsblockade durchtrennt wird. Der Schluss des Romans ist versöhnlich, verständlich, nachvollziehbar und hoffungsvoll, ganz im Sinne der konkreten Utopie von Ernst Bloch. So könnte das neue Buch von Kim Stanley Robinson eigentlich auch so heißen, wie das Hauptwerk von Ernst Bloch, „das Prinzip Hoffnung“ (1947), geschrieben in und nach dem zweiten Weltkrieg in den Jahren 1938 bis 1947, eigentlich hätte heißen sollen:
“The Dreams of a better life”.
“Die Träume von einem besseren Leben“.
Literatur löst keine Probleme, aber sie verursacht auch keine. Literatur löst Verknotungen im Denken und eröffnet ungeahnte Perspektiven hin ins Unbekannte und als Science-Fiction oder als „Climate Imagination Literatur“ öffnet sie Wege in jenes unbekannte Land, in dem zuvor noch niemals ein Mensch gewesen ist. Science-Fiction Literatur ist wie ein spannungslösendes Medikament, das Verkrampfungen im Denken und Fühlen auflöst und uns frei macht für ein neues Denken, das Barrieren überschreitet und uns ein Stück weit in das Unmögliche blicken lässt. Dort können wir Anregungen finden oder etwas gänzlich Neues, das uns nachdenklich werden lässt.
Damit sind die Probleme, die wir in der realen Politikgestaltung oder Alltagsbewältigung haben, natürlich nicht gelöst, aber sie können transparent werden, quasi durchsichtig für eine andere Lichtfrequenz, die wir bislang noch nicht wahrgenommen hatten. Anders ausgedrückt: wir nehmen einen Perspektivenwechsel vor und schauen auf den anstehenden Sachverhalt aus einem anderen Blickwinkel als den gewohnten. Dies wird uns, wenn es gelingt, überraschen, anregen und ins Grübeln bringen. Gute Literatur hat solche Effekte des Sinneswandels. Dies ist die erste Stufe, die Science-Fiction Literatur erzeugen kann: Transparenz.
Die zweite Stufe, wenn uns die Literatur packt, ist die Erzeugung von Transzendenz, indem die Grenzen der eigenen Erfahrung überschritten werden und wir in eine andere, geradezu übersinnliche Erfahrungsweise eintauchen, die uns neue Zugänge und Sichtweisen auf Bekanntes ermöglicht. Die dritte Stufe bezeichne ich als einen Motivationsschub für Handeln. Diese Stufe wird immer dann erreicht, wenn uns das, was wir lesen, als derart anregend, aufregend oder ungerecht erscheint, dass allein durch die lebensnahe und wahre Schilderung in einer Erzählung wir dazu veranlasst werden, uns dagegen aufzulehnen oder für etwas einzusetzen. Wir bekommen einen Motivationsschub, etwas zu tun. Nicht immer, aber gelegentlich schon