Das Menschheitsexperiment 4

Literatur zum Zustand von Gesundheitssystemen

In der Literatur finden sich zahlreiche Beschreibungen von Zusammenbrüchen des Gesundheitssystems von Gesellschaften, als Katastrophenroman, als Science-Fiction, also der wissenschaftlichen Beschreibung eines denkbaren Veränderungszustands von gesellschaftlichen oder sozialen Strukturen oder als Utopie oder Dystopie. Juli Zeh schildert in ihrem Roman „Corpus Delicti“ (2009) eine Gesundheitsdiktatur, die die Freiheitsrechte ihrer Mitglieder radikal eingeschränkt hat und diese durch einen in den Körper implantierten Chip kontrolliert. Das Ziel des Staates ist es, seine Bürgerinnen und Bürger zu einer gesunden Lebensweise zu zwingen und sie dabei einer totalen Kontrolle zu unterwerfen. Die Viren der Gegenwart sind in dem Roman „infektiöse Gedanken“, die vom Staat bekämpft werden. Wer gegen die herrschende Gesundheitsordnung verstößt, läuft Gefahr, umerzogen zu werden oder im schlimmsten Fall zum „Einfrieren auf unbestimmte Zeit“ verurteilt zu werden. Die realen staatlichen Überwachungszustände in Wuhan, China, in den drei Monaten der ersten Welle der Covid-19-Epedemie im Jahre 2020, sind so weit nicht entfernt von der Dystopie, die Juli Zeh in ihrem Roman beschreibt.

Bei der Bedrohung durch „Covid-19“ handelt es sich nicht nur einen medizinischen Ausnahmezustand, wie es ihn in Deutschland seit dem zweiten Weltkrieg noch nicht gegeben hat, sondern auch um ein Katastrophenszenario, dessen gesellschaftliche Wucht uns alle spätestens seit der Ansprache der Bundeskanzlerin am Abend des 18. März 2020 erreicht haben sollte. Dieses Katastrophenszenario kommt den Science-Fiction Fans seltsam vertraut vor, kennen wir es doch aus den Dystopien in der Literatur und im Kino seit den 1970er Jahren. Kann der Mensch mit diesen frühen Erzählungen etwas zum Verständnis oder zur Linderung der aktuellen Situation anfangen?

Der Virologe Prof. Christian Drosten nennt den aktuellen Zustand der Gesundheitssituation in Deutschland eine „Naturkatastrophe in Zeitlupe“. Niemand weiß, wie lange die angespannte Situation dauert, wohin sie führt und welche Nachwehen unsere Gesellschaft und unsere Beziehungen untereinander erschüttern werden. Sicher ist aber wohl eines: Das Zusammenleben der Menschen auf dem Planeten Erde wird sich nach dem Ende der Krise anders gestalten als bisher. Um zu verstehen, was auf uns zukommen könnte, können die einschlägigen Erzählungen aus der Literatur und den Medien hilfreich sein. Einige Beispiele dafür sollen hier vorgestellt werden.

„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen schon Wirklichkeit sein.“

Dies ist kein Märchen von übermorgen, dies ist ein Schauermärchen von heute. Schlimmer noch: Wir gestalten dieses Schauermärchen selbst, oder, wie es der amerikanische Erfolgsautor Kim Stanley Robinson ausdrückt:

„Dies liegt daran, dass wir in einem großen Science-Fiction Roman leben, den wir alle gemeinsam schreiben.“