Fritz Heidorn
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Das Audimax der Universität Hamburg war bei der Lesung von T.C. Boyle am Abend des 19. Juni 2023 bis auf dem letzten Platz gefüllt. Die ZEIT hatte die Lesung mit ihm organisiert und der Hanser-Verlag sorgte für die anschließende Signierstunde. Der Leiter des Feuilletons der ZEIT, Volker Weidermann, interviewte den Schriftsteller und die Schauspielerin Eva Maria Nikolaus las die Eingangsszenen des Buches auf deutsch, während T.C. Boyle diese auf Englisch vortrug. Der Autor präsentierte sich sehr witzig und ironisch und erzählte über seine Bücher „Ein Freund der Erde (2000), seinen ersten Science-Fiction Roman und das aktuelle Buch Blue Skies (2023), das eine Art Fortsetzung ist. Die Zuhörer hörten einen engagierten, witzigen, und selbst-ironischen Schriftsteller, der mit großer Energie an den gegenwärtigen Klimaproblemen unserer Zeit arbeitet und diese in zwei wundervollen narrativen Fiktionen verdichtet hat.
T.C. Boyle antwortete auf die Fragen von Volker Weidermann nach seinem Schreiben und seiner Sicht auf die Welt:
„Ein Freund der Erde (2000)ist ein Buch, das ich im Jahr 2000 veröffentlicht habe und das bis zum Jahr 2026 reicht. Darin stelle ich mir große Wetterverwerfungen vor, wie wir sie jetzt mit Überschwemmungen und Bränden erleben. Sogar eine Pandemie kommt in diesem Buch vor. Und ich dachte, da ich ein weiser Mann bin, dass dies nicht vor 2050 passieren würde und ich dann tot sein würde. Warum sollte ich mir also Sorgen machen? Aber natürlich waren wir 2015 in dieser Situation, und jetzt ist es für jeden offensichtlich, sogar für die Leugner, wie katastrophal die Lage ist. Deshalb wollte ich den Gedanken der globalen Erwärmung und des Artensterbens wieder aufgreifen, mich aber dieses Mal auf eine einzelne Familie konzentrieren.
Beim Buch Ein Freund der Erde (2000)beschreibe ich die Erde im Jahr 2000. Ich war sehr an der Idee der Ökosabotage interessiert. Sabotage für die Umwelt, und die Figuren in diesem Buch führen Handlungen aus, wie in der ersten Szene, in der wir diese Familie kennenlernen: Vater, Mutter und Tochter graben einen Graben quer über eine der Abholzungsstraßen und zementieren ihre Füße darin ein, um zu verhindern, dass die Abholzungslaster am Morgen kommen. Diese Art von Taktik hat also eine lange Tradition. Und natürlich ist es meine Aufgabe, sie zu fiktionalisieren. Und dadurch für mich selbst herauszufinden, was das bedeuten könnte.
Wir haben im Buch Blue Skies (2023) drei Figuren. Wir haben Cat, die ich Ihnen heute Abend zusammen mit unserer Schauspielerin Eva vorstellen werde. Sie ist 26 Jahre alt. Sie hat keine Ahnung, was in ihrer Umgebung passiert. Sie ist sehr hübsch. Sie ist eine Fashionista. Sie will eine Influencerin im Internet werden. Ihr Bruder Cooper, der Entomologe ist und wie viele Ökologen ständig Vorträge darüber hält, was sie tun sollten. Und dann ist da noch ihre Mutter Ottilie, die ihren ökologischen Fußabdruck verringern möchte. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, auf Fleisch zu verzichten und stattdessen Proteine aus Insekten zu gewinnen. Sie werden also nicht nur diese wunderbare Geschichte genießen, sondern auch Insektenrezepte erhalten, die Sie morgen Abend zu Hause ausprobieren können.“
Auf die Frage des Moderators, wie er angesichts der deprimierenden Situation der Welt seine gute Laune beim Schreiben aufrecht hält, sagte T.C. Boyle:
„Nun, wenn ihr mich hier seht: Ich liebe euch alle. Ich amüsiere mich. Ich bin ein lustiger Typ. Und ich liebe die Welt. Ich liebe Hunde, ich liebe Menschen. Alles. Aber innerlich bin ich so schwarz, so kalt und ständig deprimiert und unglücklich. Und mein Hauptleben besteht nicht darin, hier zu sein und die wunderbaren, charmanten Menschen zu unterhalten, sondern in Lumpen gekleidet in einem eiskalten Haus zu sitzen und zu versuchen, herauszufinden, worum es in der Welt überhaupt geht.“
Warum dann überhaupt eine Lesereise durchführen?
„Nun, der Grund liegt auf der Hand. Die Deutschen haben einen ausgezeichneten Geschmack in Sachen Literatur. Wissen Sie, ich bin das schon so oft gefragt worden und ich versuche, es zurückzuverfolgen. Ich denke, die meisten Deutschen können Englisch, so dass wir das Gespräch auf Englisch führen können und ich kann auf Englisch auftreten. Ich bin also schon seit langem dabei, so ziemlich von Anfang an. Und das Publikum hat sich über die Jahre aufgebaut. Ich bin oft auf Tournee hierhergekommen. Ich liebe es, meine Arbeit dem Publikum vorzustellen. Ich glaube, das hat sich über die Jahre entwickelt, und zwar auf eine großartige Art und Weise.“
Die Veranstaltung war ein großes Vergnügen für die Anwesenden und die Schlange beim Signieren nach der Veranstaltung war so lang, dass der erschöpfte Autor vermutlich noch einige Stunden anwesend sein musste, um alle Fragen zu beantworten und die Masse an dargereichten Büchern zu signieren.