Zwei Wochen Praktikum bei Larriveé Guitars in Oxnard, Kalifornien

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Valentin Heidorn

Begonnen hat alles mit einem kurzen Treffen mit Jean Larriveé auf der Guitar Summit 2022 in Mannheim. Mein Onkel stellte mich Jean vor, ich unterhielt mich eine Weile mit ihm über Gitarrenbau und zeigte ihm ein Foto meiner ersten gebauten Gitarre. Er wirkte auf mich sehr freundlich, ruhig und offen und bot mir unvermittelt an, ein Praktikum in seinem Workshop in Oxnard, Kalifornien zu machen. Wann und wie lange, das spiele keine Rolle, sagte er. „Even in a week you would learn a lot.“  Welch eine Herausforderung!

Praktikum bei Larrivee Guitars: ein Traum wird wahr!

Ein halbes Jahr später, Ende Februar 2023, setze ich dieses Angebot in die Tat um und fliege von Frankfurt nach Los Angeles. Die erste Woche besteht aus kleinen Trips durch Kalifornien. In Los Angeles angefangen über Ventura hin bis San Francisco und über Santa Barbara wieder Richtung Oxnard, wo sich die Werkstatt von Larriveé befindet. Eine große Halle im Gewerbegebiet, welche nun schon über 20 Jahre von Larriveé angemietet wird. Bei meinem ersten Besuch an einem Sonntag führt mich Jean durch die fast menschenleere Halle. Nur seine Frau Wendy und eine Angestellte sind noch da und hantieren mit rohem Holz und Gitarren in unterschiedlicher Fertigung. Jean zeigt mir die einzelnen Arbeitsbereiche. Ein riesiger, von Holzstaub bedeckter Maschinenpark, von welchen einige Maschinen von Grund auf selbst gebaut sind und die gekauften, die durch selbst angefertigte Vorrichtungen ergänzt wurden. Die Halle strahlt für mich den typischen Charme einer eingestaubten Holzwerkstatt aus, wodurch ich mich direkt wohlfühle.

Nach der Führung setzen wir uns in Jeans Büro, das nicht weniger staubig als die Werkstatt ist. Wir besprechen den Ablauf des Praktikums und reden vor allem über den Zeitpunkt. Der Umzug in eine neue Halle ein paar Straßen weiter steht an und hat sich durch die verschleppten Genehmigungen der Stadt immer weiter hinausgezögert. Er fällt nun in meine zweite Praktikumswoche. Aber wie in Deutschland angekündigt, ist die Zeit und Dauer flexibel und ich soll einfach kommen, wann immer ich will. Selbst wenn er nicht da wäre, würde sich sein Sohn Matthew um mich kümmern. Er leitet gemeinsam mit Jean die Fabrik. Meine Sorge mich in irgendeiner Form beweisen zu müssen und nicht genau zu wissen, wie das Ganze in einer Firma mit circa 30 Mitarbeiter*innen ablaufen wird, nimmt mir Jean mit den Worten: „You are not one of my employees. You are a student and can do whatever you want“. So verabschieden wir uns voneinander und halten für den Arbeitsbeginn fest: Montag, den 6. März 2023 um 7:30 Uhr.

Mitarbeiten bei Larrivee Guitars: Gitarrenbau in einer Manufaktur

Pünktlich stehe ich um 7:30 in der Firma im Eingangsbereich, welcher ebenfalls deutliche Spuren von Holzstaub aufweist und mehrere kleinere Maschinen beherbergt. Eine Durchreiche lässt einen direkt in das erste Büro blicken, wo mich ein netter Mann begrüßt und fragt, ob er mir helfen könnte. Ich sage, ich würde Jean suchen und er fragt, ob ich einen Termin hätte. Ich antworte „Indirekt schon“. Ich würde für zwei Wochen hier ein Praktikum machen. Er witzelt etwas, dass er darüber „natürlich“ informiert wurde und sagt, dass Jean immer erst um 8 Uhr kommt. Er bringt mir einen Stuhl und ich warte auf Jean. Pünktlich zu seiner Zeit kommt Jean und führt mich durch die diesmal mit Personal gefüllte Werkstatt. Er stellt mich jedem persönlich vor und erklärt kurz, wer ich bin und dass ich mir alles angucken kann, wie ich möchte. Eine riesige Freiheit, von der ich in meinen zwei Wochen bei Larriveé Gebrauch machen konnte. Ab da werde ich von den Mitarbeiter*innen durch die einzelnen Aufgabenbereiche geleitet.

Mitarbeiten bei Larrivee Guitars: Beleistung

Mein erster Tag startet bei der Beleistung der Böden und Decken der Gitarren mithilfe eines Vakuumtisches. Nach einer kurzen Einweisung bekomme ich eine Decke und die benötigten Leisten in die Hand gedrückt und darf direkt selbst durchstarten. Am Anfang immer mit einem kleinen Blick über meine Schulter, bis die Person, die mir die Arbeit erklärt hat, sicher sein kann, dass ich das Richtig tue.

Um 10 Uhr schallt ein lautes Horn durch die Halle und signalisiert die ersten 15 Minuten Pause. Jeden Tag steht dann schon ein weißer Foodtruck vor der Tür und verkauft Sandwiches, Pommes, Burger, Burritos und Getränke. Die meisten setzen sich in den Pausen mit ihrem Essen in ihr Auto und genießen die Ruhe von den lauten Maschinen in der Halle. Danach geht es für mich daran, weitere Schritte im Prozess der Beleistung kennenzulernen.

Nach einer 30-minütigen Mittagspause um 12 Uhr ziehe ich eine Station weiter. Ein junger Mann erklärt mir, wie die Decke und der Boden mit dem Korpus verbunden werden. Auch hier darf ich wieder ziemlich schnell an das Einpassen der Decke herangehen. Der Boden ist eine noch präzisere Arbeit und wird mir erst überlassen, nachdem ich mich an den ersten zwei Decken gut geschlagen habe. Das Horn tönt ein vorletztes Mal um 14:15 für eine weitere 15 Minuten Pause und die restlichen eineinhalb Stunden vergehen im Flug. Glücklich darüber, dass der erste Tag nicht hätte besser laufen können, fahre ich nach der Arbeit am Meer entlang in mein Motel.

Mitarbeiten bei Larrivee Guitars: die Stationen des Gitarrenbaus

Innerhalb der ersten Woche erhalte ich Einblicke in alle Stationen. In manchen halte ich mich länger auf, beispielsweise bei der Vorbereitung von Hals und Korpus, um diese zusammenfügen zu können, oder beim finalen Runden und Schleifen des Halses, und in anderen kürzer. In wirklich jeder Station nehmen mich die Mitarbeiter*innen superfreundlich auf. Selbst wenn die eine Seite teilweise nur spanisch spricht und ich nur englisch, habe ich mich total wohl gefühlt und das Gefühl gehabt, dass die Mitarbeiter*innen Freude daran haben, mir zu zeigen, was sie tun. Die meisten von ihnen sind auf ihre Station spezialisiert. Sie wirken beim Erklären stolz auf ihren Job und freuen sich immer wieder über kleine Lernerfolge bei mir. Es ist ein lockeres Miteinander und ich habe nie das Gefühl, unerwünscht oder lästig zu sein.

Der Umzug von Larrivee Guitars in eine neue Halle in Oxnard

Am Wochenende biete ich meine Hilfe beim Umzug in die neue Halle an. Wir haben den Umzug einer der zwei Humidity-Räume in die neue Halle als Tagesziel. Einiges der Hölzer, gefügten Decken und Böden, gebogenen Zargen und fertigen Gitarrenkorpusse wurden im Laufe der Woche schon in Kartons gepackt und auf Paletten verzurrt. Wir bauen die Vorrichtungen, Werkbänke und Regale ab und bringen diese zwei Straßen weiter zu der neuen Halle. Die Halle ist für den Umzug perfekt vorbereitet. Die Grundstruktur mit den in die Halle gebauten Humidity-Räumen, Stromleitungen und Positionierungen der Rohre für die Staubabsaugung steht schon. Eine wunderschöne helle Halle mit vielen Fenstern und noch mehr Platz als zuvor. Innerhalb eines Tages ist der Raum grob wieder aufgebaut und das Holz einsortiert, doch die Feinarbeiten dauern noch die nächste Woche an.

Zu Beginn meiner zweiten Woche geht es direkt weiter mit dem Transport der großen CNC-Maschine, der Bandsägen und Schleifmaschinen. Ein riesiger Gabelstapler fährt eine Maschine nach der anderen auf einen Tieflader und bis zum Mittag ist die Halle von ihren Maschinen befreit. Ich bin währenddessen weiter in den verschiedenen Stationen des Baus unterwegs. Dadurch, dass einige Stationen in die neue Halle wechseln, werden die Arbeitsabläufe erschwert. Dies hindert jedoch niemanden daran, sich Zeit für mich zu nehmen und an sich ändert sich nicht viel für mich.

Mitarbeiten bei Larrivee Guitars: Final Assembly

Ich bekomme das Umzugschaos in der ersten Hälfte der Woche nur am Rande mit und kann weitere Einblicke in die einzelnen Aufgabenbereiche erlangen. Nur gegen Ende der Woche merke ich, dass die Produktion langsam stockt, wodurch ich die letzten Tage meines kleinen Praktikums im „Final Assembly“ verbringe. Insgesamt sind wir zu viert in dieser Station. Wir geben der auszuliefernden Gitarre ihr letztes Setup und spielen die ersten Töne an. Es ist schön Zeit, zu haben, um die drei Mitarbeiter genauer kennenzulernen.

Am Ende der zwei spannenden Wochen bringe ich zum Abschied Donuts mit und bedanke mich bei allen Mitarbeiter*innen für die herzliche Aufnahme von mir im Unternehmen. Ich bedanke mich bei Matthew und Jean für die großartige Zeit und bekomme das Angebot, für einen längeren Zeitraum wiederzukommen und weitere Erfahrungen zu sammeln. Am nächsten Tag geht schon mein Flug zurück nach Deutschland und ich bin erschrocken, wie schnell die Zeit verging. Im Flugzeug versuche ich, mir die gesammelten Eindrücke aus dieser kurzen Zeit ins Gedächtnis zu rufen und merke dabei, wie viele es waren. Ich werde sicher eine lange Zeit von diesen Eindrücken zehren und einige auch erst später realisieren können.

Es war eine tolle Zeit bei Larriveé Guitars in Oxnard, Kalifornien!