John Steinbeck neu entdeckt

Fritz Heidorn

Wir sind am 16. Februar 2023 von Monterey nach Salinas gefahren, um uns auf eine kleine Spurensuche nach John Steinbeck zu begeben. Ausgelöst durch den Besuch im Monterey Bay Aquarium und den Hinweis auf sein Buch Cannery Row (1945) haben wir das „National Steinbeck Center“ und das „Steinbeck House“ im nahe gelegenen Salinas besucht und beim Spaziergang durch die Stadt einen Eindruck davon bekommen, wie diese Stadt heute aussieht und welche historischen Referenzen sich finden lassen. Salinas ist eine Stadt, in der die Erinnerung an ihren großen Sohn noch immer präsent ist. Salinas liegt aber auch im Zentrum von riesigen landwirtschaftlichen Produktionsflächen, in denen heute mexikanische Arbeiter die Knochenarbeit verrichten. Wir fragen uns, was die gegenwärtige Knochenarbeit in der Landwirtschaft von der Knochenarbeit der Wanderarbeiter von vor einhundert Jahren, wie sie John Steinbeck schilderte, unterscheidet.

Das Monterey Bay Aquarium vermittelt seinen Besucherinnen und Besuchern – und es ist immer sehr gut besucht, von vielen Schulkindern, Schulklassen, Studiengruppen,  von Menschen, die an der maritimen Wissenschaft interessiert sind und von zahlreichen Touristen – nicht nur einen exzellenten Überblick über den Stand der Meeresforschung, sondern stellt auch eine Beziehung her zu einem der ganz großen amerikanischen Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts und Literaturnobelpreisträgers, zu John Steinbeck. Steinbeck wurde in der in der Nähe von Monterey, in Salinas, geboren und ist dort aufgewachsen und wurde von seinem Freund Ed Ricketts, einem frühen Meeresökologen, bevor es diese als akademische Disziplin gab,  in die Philosophie und in die Meeresbiologie eingeführt, wofür er sich literarisch bedankte, indem er die Hauptfigur „Doc“ in seinem Roman Cannery Row (1945) nach seinem Freund modellierte.

John Steinbeck wurde am 27. Februar 1902 als Sohn der Lehrerin Olive Hamilton und des Kämmerers von Monterey County John Ernst Steinbeck II geboren. Seine Eltern lebten in späteren Jahr in bescheidenem Wohlstand, was das Haus, in dem ihr Sohn geboren wurde belegt. John Steinbeck begann schon als Schüler mit dem Schreiben und bewarb sich 1919 an der Stanford University und belegte dort Fächer für sein Vorhaben, Schriftsteller zu werden: Englische Literatur, Klassische Literatur, Alte Geschichte, Journalismus.

Die „Great American Novel

Seine Werke machten John Steinbeck zu einem der meistgelesenen Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts mit einem großen Werk, das von Romanen über Landarbeiterstreiks, die entwurzelten Wanderarbeiter des. „Dust Bowl“ bei The Grapes of Wrath (1939, deutsch: Früchte des Zorns, 1940 bis zur „Great American Novel“ und zum Welterfolg als Roman und als Hollywood-Film mit James Dean  East of Eden (1952, deutsch: Jenseits von Eden, 1953. Der Film  erschien 1955 in den Kinos) reichten. Steinbeck bekam im Jahre 1940 für The Grapes of Wrath den Pulitzerpreis verliehen, für seine realistische Schilderung des Elends der Wanderarbeiter. Im Jahre 1962 wurde ihm de Nobelpreis für Literatur verliehen, für seine „einmalige realistische und phantasievolle Erzählkunst, gekennzeichnet durch mitfühlenden Humor und sozialen Scharfsinn“.

Auf der Suche nach Amerika

John Steinbeck hat aber nicht nur als Schriftsteller gearbeitet, sondern auch als Journalist und als „Non-Fiction“- Autor, als Sachbuchautor und als Berichterstatter für Zeitungen und Zeitschriften, sowie als Drehbuchautor. Besonders beindruckend finde ich seinen Bericht üb er seine Amerikareise, die unter dem Titel Travels with Charlie: In Search of America (1962, deutsch: Die Reise mit Charley: Auf der Suche nach Amerika, 1962, neu übersetzt: 2002, 2007) erschienen ist. Steinbeck hatte im Jahre 1954 einen leichten und im Jahre 1959 einen schwereren Schlaganfall erlitten und wollte deshalb im Jahre 1960 sein Land, die Vereinigten Staaten von Amerika, noch einmal neu erkunden. Er ließ einen Kleinlaster zu einem Wohnmobil umbauen und fuhr mit seinem Hund Charlie drei Monate rings um die USA. In seinem Buch schildert Steinbeck auch die Schönheit der Naturlandschaften der USA: die Sequoia-Wälder und die Mojave-Wüste.

Der frühe Ökologe

Die Reportagen und Steinbecks Arbeiten als früher Ökologe und Vorläufer grünen Denkens in dem Reisetagebuch Sea of Cortez: A Leisurely Journal of Travel and Research (1941, with Ed Ricketts) zeigen ihn als Naturforschenden Schriftsteller, was ihm die Ablehnung einiger damaliger Literaturkritiker einbrachte, was ihn aber – so meine ich – aus heutiger Sicht als umfassend gebildeten und sensiblen Autor für menschliche Belange und für frühe ökologische und nachhaltige Betrachtungen auszeichnet. Der Nobelpreis für Literatur ist eben nicht die einzige Würdigung für Schriftsteller, sondern auch ihre Neubewertung durch Leserinnen und Leser in den nachfolgenden Generationen. Und unter diesem Gesichtspunkt betrachtet steht der große Autor des zwanzigsten Jahrhunderts auch im beginnenden 21. Jahrhundert noch gut da als einer der ganz großen Berichterstatter für soziale Probleme der Menschen und der frühen Erkenntnisse der Ökologie und als grandioser Schriftsteller.

John Steinbeck selbst sagt dazu:

„If a Story is not about the hearer he will not listen. And here I make a rule – a great and interesting story is about everyone or it will not last“ .

„Wenn eine Geschichte nicht von den Zuhörern handelt, werden sie nicht zuhören. Und hier stelle ich eine Regel auf – eine großartige und interessante Geschichte handelt von jedem, oder sie wird nicht überdauern.“