Solar-Wasserstoff-Wirtschaft – Stand der Umsetzung im Herbst 2022

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Fritz Heidorn

Wir haben im Jahre 2021 auf dieser Webpage einige Überlegungen über die Defizite bei der Umsetzung einer möglichen Solar-Wasserstoff-Wirtschaft veröffentlicht. Im Herbst 2022 berichten wir über den aktuellen Stand der Diskussion.

Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels sind Treibhausgase, die bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen. Die Energiewende hin zum Einsatz von regenerativen Energiequellen wird als das wichtigste Mittel angesehen, um die Folgen des Klimawandels auf ein noch erträgliches Maß zu reduzieren. Über die ökologische Energiewende ist bereits in den 1980er Jahren in Deutschland heftig gestritten worden, allerdings nicht unter der Maßgabe des Klimawandels, sondern als Alternative zum Ausbau der Atomenergie. Erst im Sommer 2022 nehmen die Forderungen nach einem massiven Ausbau von Solarenergie, Wasser- und Windkraft sowie der Erforschung von Alternativen zu Kohle, Erdöl und Erdgas als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine drastisch zu.

Warum ist damals, in den 1980er Jahren, als die deutsche Forschungslandschaft und die Entwicklung der Industriestrukturen eine ideale Voraussetzung für die entsprechende Modernisierung zugelassen hätten, nicht gehandelt worden?

Die Antwort ist nicht einfach, aber die politische und finanzielle Macht der damaligen Atomindustrie hängt damit sicher zusammen. Andererseits wäre es auch zu einfach, im Jahre 2022 wieder einmal den Krieg als Vater aller Dinge der Industriemodernisierung aus der Mottenkiste der Geschichtsklitterung herauszuholen. Es muss allerdings konstatiert werden, dass jetzt, im Herbst 2022, die Zeit reif ist für eine ökologische Wende hin zum verstärkten Einsatz regenerativer Energiequellen bis hin zur regionalen Wertschätzung der Wasserstoffproduktion, die als Hoffnungsträger das Titelbild der Zeitschrift FOCUS vom 20.8.2022 prägt und die als Milliardenprojekt für Niedersachsen sogar in der Regionalzeitung NORDWEST-ZEITUNG Nr. 203 vom 31.8.2022 auf Seite 5 auftaucht. Inzwischen liefern sich die Bundesländer des Nordens und des Südens einen Wettstreit zur Frage, wer der schnellste Innovator bei der Implementierung neuer Wasserstoffstrukturen sein wird.

Wasserstoff ist plötzlich in aller Munde – und das vierzig Jahre, nachdem diese Industriemodernisierung in Deutschland schon hätte umgesetzt werden können, wenn die Politiker und die Industrievertreter damals vorsorgend reagiert hätten, anstatt nachsorgend eine drohende Energieknappheit durch die jahrelange Fixierung auf Erdöl, Kohle und Erdgas zu verwalten.

Zur zeitlichen Einordnung der historischen Machbarkeiten im Diskursfeld „Wasserstoff – Brennstoffzelle – Solarwirtschaft“ sollen hier einige Eckpunkte erwähnt werden.

Die Brennstoffzelle

Das Prinzip der Brennstoffzelle wurde 1838 von Christian Friedrich Schönbein entdeckt. Sir William Grove entdeckte zusammen mit Schönbein die Umkehrung der Elektrolyse zur Erzeugung von elektrischem Strom. Bereits 1875 schrieb Jules Verne über die Brennstoffzelle in seinem Roman „Die geheimnisvolle Insel“ (1875): „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ Dies ist damals Science-Fiction gewesen, und heute, 150 Jahre nach dem Erscheinen von Jules Vernes Roman, leider noch immer.  

In den 1950er Jahren wurde die Idee wieder aufgegriffen, weil das amerikanische Militär und die NASA leistungsfähige dezentrale Energiewandler benötigten. Ab dem Jahre 1963 wurden Brennstoffzellen an Bord von Satelliten und für die Gemini- und Apollo-Raumkapseln eingesetzt. Damit waren die forschungstechnischen Grundlagen für wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen gelegt, in den 1960er Jahren.

Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb und Brennstoff-Zellen

Fahrzeuge mit Wasserstoff-Antrieb und Brennstoff-Zellen gibt es auch im Herbst 2022 sehr wenige auf der Straße. Warum gibt es noch keine serienreifen, bezahlbaren Wasserstoff-PKWs, obwohl die Technologie bereits seit fünfzig Jahren bekannt ist? Die technischen Aspekte des Einsatzes von Wasserstoff in der Automobilindustrie finden sich in dem Fachbuch von Helmut Eichlseder, Manfred Klell: „Wasserstofftechnik in der Fahrzeugtechnik. Erzeugung, Speicherung, Anwendung“ (2008, dritte Auflage 2012. Springer Vieweg).

Heute kommt die Wasserstofftechnik in Fahrzeugen langsam aus dem Experimentierstadium heraus und es beginnt die industrielle Serienerprobung. Im Sommer 2022 fahren die ersten Taxis im Norden mit Wasserstoff und zwischen Weser und Elbe sind fünf Wasserstoffzüge im Einsatz. Brennstoffzellen-PKWs sind immer noch wenige im Angebot der Hersteller und sie sind teuer. So bietet beispielsweise Toyota das Brennstoffzellen-Einsteigermodell „Mirai“ ab 63.900 Euro an. Der Hyundai „Nexo“ als Mittelklasse-SUV kostet mindestens 77.290 Euro.

In der Süddeutschen Zeitung vom 3./4. September 2022 berichtet Joachim Becker, dass BMW weiterhin an Fahrzeugen forscht, die mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen in den nächsten Jahren zur Serienreife kommen sollen. Der Wirkungsgrad von reinen Elektrofahrzeigen sei zwar noch doppelt so hoch wie der von Brennstoffzellen-Fahrzeugen, aber bei schweren Nutzlastfahrzeugen würde sich die Energiebilanz verbessern. Gegenwärtig liegen die Wirkungsgrade bei Elektrofahrzeugen bei 70 Prozent, bei Brennstoffzellen-Autos bei 28 Prozent und bei Benzinern bei 26 Prozent. Außerdem gibt es noch keine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff-Tankstellen, die App „H2Live“ zeigt im September 2022 158 eröffnete und 30 in Realisierung befindliche Wasserstoff-Tankstellen für Deutschland an. Dies hört sich schon gut an, es steht aber in keinem Verhältnis zu den 14.000 Tankstellen für Benzin und Diesel in Deutschland oder den ca. 200 Standorten von Tesla Superchargern mit jeweils zehn oder mehr Ladesäulen, die eine elektrisch betriebene Fahrt quer durch Deutschland ermöglichen.

Wasserstoff: die ewige Zukunftstechnologie?

Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass für die Brennstoffzellen überwiegend Materialien wie Aluminium, Stahl, Kunststoffe und ein wenig Platin eingesetzt würden, während Elektrofahrzeuge große Mengen seltener und teurer Metalle wie Lithium, Kobalt und Nickel benötigten. Wasserstoff sei „die ewige Zukunftstechnologie“ und es bleibt abzuwarten, was nach dreißig Jahren an Forschung bei den deutschen Autobauern nun herauskommen wird.


Literatur

Becker, Joachim: BMW setzt weiter auf Wasserstoff. In: Süddeutsche Zeitung 3./4. September 2022, Nr. 203, Seite 52.

Bockris, John O´M und. Justi, Eduard W: „Wasserstoff – die Energie für alle Zeiten. Konzept einer Sonnen-Wasserstoff-Wirtschaft. Udo Pfriemer Verlag, München, 1980.

Eichlseder, Helmut/ Klell, Manfred: „Wasserstofftechnik in der Fahrzeugtechnik. Erzeugung, Speicherung, Anwendung“ (2008, dritte Auflage 2012. Springer Vieweg).

Energie- und Umweltzentrum am Deister e.V.:  Es geht auch anders. Ein Katalog über Energie-Alternativen. Springe-Eldagsen am Deister, zweite Auflage 1983.

Heidorn, Fritz, Mie, Klaus: Wasserstofftechnologie. Eine Technologie der Zukunft in der Schule? In: Naturwissenschaften im Unterricht Physik/Chemie 31 (1983) Nr. 8 (Themenheft 12: Projektunterricht Physik/Chemie. Seite 44 bis 49.

Heidorn, Fritz: Strom hilft Öl sparen? Vorschläge für ein Projekt zur Behandlung einer energiepolitischen Kontroverse im Unterricht. In: Naturwissenschaften im Unterricht Physik/Chemie 29 (1981) Nr. 8 (Themenheft 6: Alternative Energiequellen. Seite 62 bis 66.

Lehmann, Jochen / Luschtinetz, Thomas: Wasserstoff und Brennstoffzellen. Unterwegs mit dem saubersten Kraftstoff. Springer Vieweg, Berlin, Heidelberg 2014.

Fotos:

Focus Titelbild Ausgabe 34, 20.August 2022: Neue Hoffnung Wasserstoff

Wasserstoff-Tankstelle Irschenberg, Bayern