Klimawandel in der Schule

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Fritz Heidorn

Im Jahre 1993 schreibt der bedeutendste deutsche Erziehungswissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts, Wolfgang Klafki, über die Herausforderungen der damaligen Allgemeinbildung und charakterisiert sieben „epochaltypische Schlüsselprobleme“, die nach seiner Meinung eine „gegenwarts- und zukunftsorientierte Bildung“ bestimmen. Er spricht von „zentralen Problemen der Gegenwart und – soweit voraussehbar – der Zukunft (…), verbunden mit der Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und mit der Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken.“ Dieses Vorhaben bezeichnet er als „Theorie des gegenwärtigen Zeitalters und seiner zukünftigen Potenzen“.

Epochaltypische Schlüsselprobleme

Zu den epochaltypische Schlüsselprobleme zählt Klafki als „3. Die Umweltfrage oder ökologische Frage“. Dazu führt er aus, dass es dabei im globalen Maßstab um Fragen nach der Zerstörung oder Erhaltung der natürlichen Grundlagen menschlicher Existenz geht und dass hier die Verantwortbarkeit und die Kontrollierbarkeit der wissenschaftlich-technologischen Entwicklung im Zentrum der Betrachtung stehe. Klafki spricht nicht explizit über das Klima-Thema, weil es damals noch nicht auf der Tagesordnung des Mediendiskurses stand, es kann aber der allgemeinen Umweltfrage zugeordnet werden.

Welche Methoden schlägt Klafki vor, um die von ihm genannten sieben epochaltypischen Schlüsselprobleme in Bildungsprozessen zu bearbeiten? Klafki schreibt über die didaktisch-methodische Aufbereitung von Lernprozessen, die Lernenden für Kritikbereitschaft und Kritikfähigkeit einschließlich der Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstkritik zu qualifizieren, ihnen Argumentationsbereitschaft und Argumentationsfähigkeit nahezubringen, weiterhin Empathie, um Dinge aus der Sicht von anderen betrachten zu können, sowie die Fähigkeit zu „vernetztem Denken oder Zusammenhangsdenken“. Alle diese Qualifikationen sind besonders zum Verständnis des hyperkomplexen Themas des Klimawandels erforderlich, verbunden mit Interesse am Thema und der Ausdauer für sehr langfristige Beschäftigungen damit, die das Thema der “Nachhaltigkeit“ noch einmal ganz besonders hervorheben.

Wolfgang Klafki beendet sein Plädoyer für eine neue, der Zeit angepasste und in die Zukunft weisende Allgemeinbildung mit einem Rückgriff auf die Reformpädagogik und fordert fächerübergreifenden Unterricht: „Die alte reformpädagogische Forderung nach nicht nur gelegentlichen fächerübergreifenden Veranstaltungen oder Hinweisen, sondern nach einer prinzipiellen Neustrukturierung des Verhältnisses von fachspezifischen Kursen und Lehrgängen einerseits und fächerübergreifenden Problemstellungen andererseits – um solche handelt es sich bei den Schlüsselproblemen durchgehend – erhält von jenen vorher skizzierten Einsichten her ein ganz neues Gewicht.“

In Klartext übersetzt bedeutet Klafkis Forderung nichts weniger als ein generelles Plädoyer für einen anderen Unterricht. Statt Fächergliederung fordert er, wie viele andere Bildungsforscher auch, einen fächerübergreifenden Projektunterricht, der sich an der Lebenswelt der Lernenden und an ihrer Zukunft orientiert. Für den Sonderfall des Themas Klimawandel gefragt: Wie soll die Schule mit diesem hyperkomplexen und langfristigen Thema umgehen? Und in der Gegenwartsbetrachtung angeschaut: wie behandelt Schule das Klimathema im Jahre 2022?

Klimawandel im Schulbuch und in der Schule im Jahre 2022

Die Frage nach dem Vorhandensein des Themas des Klimawandels im Schulbuch oder in der Unterrichtspraxis der allgemeinbildenden Schulen im Jahre 2022 ist nicht einfach zu beantworten, weil es einerseits dazu keine umfassenden empirischen Untersuchungen gibt und weil sich andererseits die Schulbuch-Verlagslandschaft in den letzten Jahrzehnten sehr verändert hat. In dieser Studie wird auf der Grundlage der gegenwärtig vorliegenden Daten untersucht und mit einer vorläufigen Bewertung dargestellt:

  1. Welche empirischen Befunde gibt es über die Behandlung des Themas „Klimawandel“ in der allgemeinbildenden Schule der Sekundarstufen I und II?
  2. Wie ist das Thema „Klimawandel“ in den Lehrplänen verankert?
  3. Welche Schulbücher behandeln das Thema „Klimawandel“?
  4. Welche Unterrichtsmaterialien und welche Medien gibt es zum Thema „Klimawandel“?
  5. Welche Jugendgruppen behandeln das Thema „Klimawandel“?
  6. Welche außerschulischen Bildungseinrichtungen bieten Lernmöglichkeiten zum Thema „Klimawandel“ an?

Welche empirischen Befunde gibt es über die Behandlung des Themas „Klimawandel“ in der allgemeinbildenden Schule?

In einer Studie von Flake, S., Cermak, J. und Sprenger, S. aus dem Jahre 2022 über den Eingang des Themas Klimawandel in den Geografieunterricht an deutschen Schulen wird deutlich, wie rudimentär das Thema in diesem Fachunterricht gegenwärtig angesiedelt ist. Die beiden Autorinnen und der Autor haben eine Schulbuchstudie auf der Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt und diese durch eine Fragebogenerhebung bei Schülerinnen und Schülern sowie bei Lehrerinnen und Lehrern ergänzt. Durch diese Kombination kann man davon ausgehen, dass die Studie einen recht guten Überblick über den Niederschlag des Themas „Klimawandel“ im gegenwärtigen Geografieunterricht gibt. Die Autoren kommen zu einem niederschmetternden Ergebnis:

„In den untersuchten Schulbüchern und Schulen werden Aspekte des Klimawandels nicht in einem Umfang berücksichtig, der Schülerinnen und Schülern den Erwerb professioneller Kompetenzen im Umgang mit dem Klimawandel ermöglichen würde. Ebenso wurde festgestellt, dass authentische, methodische Vorgehensweisen bisher kaum Eingang in den klimatologischen Geographieunterricht finden.“ (Flake, S., Cermak, J. und Sprenger, S. (2022).

Und weiterhin: „Teilaspekte wie beispielsweise die Folgen des Klimawandels werden sowohl  in Schulbüchern als  auch aus Sicht der befragten Schülerinnen  und Schüler nur oberflächlich erläutert. Maßnahmen, die heutige Generationen zukünftig ergreifen können wie z.B. Ursachenbekämpfung in Form von Klimaschutz oder Folgebekämpfung wie der Umgang mit unvermeidbaren  Klimaänderungen werden mit Ausnahme von fünf  Büchern in 36  Lehrwerken gar nicht  thematisiert.“

Der Berliner Lehrer Bruce Phillips hat im Jahre 2017 gemeinsam mit den drei Schülerinnen Victoria Bederov, Alina Runk und Leonie Brockmann in einem privaten Forschungsprojekt insgesamt 30 Lehrbücher für die Altersgruppe der 11- bis 18-Jährigen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, USA und Australien untersucht. „Wir gingen ehrlich gesagt davon aus, dass sich vor allem in Deutschland ein etwas anderes, fortschrittlicheres Bild zeigt, vor allem was den Verweis auf die Nutzung erneuerbarer Energien betrifft. Aber da hatten wir uns getäuscht. In allen Ländern kamen wir zu dem gleichen Ergebnis wie die kanadische Studie“, sagt Phillips. In 90 Prozent der Bücher wurden uneffektive Aktionen zur Reduzierung des persönlichen CO2-Fußabdrucks aufgeführt. Maßnahmen mit hohem Effekt kamen nur in 10 Prozent der Bücher vor.

„Ganz oft wurde in den Schulbüchern der Austausch der Glühlampen als persönlicher Beitrag zum Klimaschutz genannt, dabei hat das kaum eine Wirkung“, sagt Phillips. Nur eines der 30 untersuchten Lehrbücher verwies auf die Möglichkeit, ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen im privaten Haushalt zu beziehen. Der Verzicht auf ein eigenes Auto kam gar nicht vor. Und auch kein einziges Schulbuch erwähnte die Möglichkeit, sich für ein Kind weniger zu entscheiden. „Der Klimawandel kommt in den Schulbüchern vor, aber es werden keine Lösungen aufgezeigt. Das ist ein Problem“, sagt Phillips in seiner Bilanz.

Bruce Phillips bezieht sich in seiner Untersuchung auf eine kanadische empirische Studie von Wynes und Nicholas aus dem Jahre 2017, in der die Autoren vier hoch effiziente Aktionen zur Reduzierung des individuellen Ausstoßes von Treibhausgasen identifizieren und untersuchen, in welchem Ausmaß Regierungsdokumente und der Bildungsbereich auf diese Aktionen eingehen. Dabei untersuchen sie auch zehn Wissenschafts-Textbücher, die in sieben der zehn kanadischen Provinzen eingesetzt werden. Als Fazit ihrer Studie formulieren die Autoren:

We have identified four recommended actions which we believe to be especially effective in reducing an individual’s greenhouse gas emissions: having one fewer child, living car-free, avoiding airplane travel, and eating a plant-based diet. These suggestions contrast with other top recommendations found in the literature such as hang-drying clothing or driving a more fuel-efficient vehicle. Our results show that education and government documents do not focus on high-impact actions for reducing emissions, creating a mitigation gap between official recom- mendations and individuals willing to align their behaviour with climate targets. Focusing on high- impact actions (through providing accurate guidance and information, especially to ‘catalytic’ individuals such as adolescents) could be an important dimension of scaling bottom-up action to the transformative decarbonisation implied by the 2°C climate target, and starting to close this gap.

„Wir haben vier empfohlene Maßnahmen ermittelt, die unserer Meinung nach besonders wirksam zur Verringerung der Treibhausgasemissionen des Einzelnen beitragen: ein Kind weniger zu haben, autofrei zu leben, Flugreisen zu vermeiden und sich pflanzlich zu ernähren. Diese Vorschläge stehen im Gegensatz zu anderen Top-Empfehlungen, die in der Literatur zu finden sind, wie z. B. das Trocknen von Kleidung an der Luft oder das Fahren eines sparsamen Fahrzeugs. Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Schwerpunkt von Bildungs- und Regierungsdokumenten nicht auf hochwirksamen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung liegt, wodurch eine Lücke zwischen den offiziellen Empfehlungen und der Bereitschaft des Einzelnen, sein Verhalten an den Klimazielen auszurichten, entsteht. Die Fokussierung auf hochwirksame Maßnahmen (durch die Bereitstellung genauer Anleitungen und Informationen, insbesondere für ‚katalytische‘ Personen wie Jugendliche) könnte eine wichtige Dimension sein, um die Maßnahmen auf die transformative Dekarbonisierung, die das 2°C-Klimaziel impliziert, auszuweiten und diese Lücke zu schließen.“

In Österreich hat die Autorin Tina Goebel im Jahre 2021 die Behandlung des Themas „Klimawandel“ in österreichischen Schulbüchern untersucht und stellt auf der Webpage des Momentum-Instituts Wien teilweise haarsträubende Falschinformationen in Schulbüchern vor. Sie zitiert die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb mit den Worten: „Leider vermitteln die meisten Schulbücher die notwendigen Informationen nicht, sondern erschöpfen sich in punktuellen Andeutungen. Themenübergreifend kommt der Klimawandel praktisch nicht vor. Es bleibt daher zu viel der Eigeninitiative der Lehrkräfte überlassen.“  Das Bildungsministerium antwortet auf die Anfrage der Autorin nach Verbesserungsmaßnahmen, dass die Lehrpläne und die Schulbücher überarbeitet werden und das Thema Klimaschutz dabei auf unterschiedliche Weise verankert werden soll.

Wie ist das Thema „Klimawandel“ in den Lehrplänen verankert?

Die allgemeine Schulbildung in Deutschland findet in den einzelnen Bundesländern statt. Die jeweiligen Kultusministerien achten peinlich genau auf die Einhaltung der Kultushoheit der Länder und wehren in der Regel alle Versuche zur Schwächung des föderalen Prinzips ab. Nur die Berufsbildung ist beim Bund angesiedelt und im Bundesministerium für Bildung und Forschung konzentriert. Kein guter Ausgangspunkt für eine bundeseinheitliche Bildungspolitik zum Klimawandel also. Wer hier etwas bewegen will, ist auf den guten Willen aller Kultusministerinnen und Kultusminister angewiesen – und die liegen erfahrungsgemäß gern quer zueinander. Die Verankerung des Themas „Klimawandel“ an deutschen Schulen muss also für jedes Bundesland einzeln vorgenommen werden. Wahrlich eine schwere Aufgabe!

Der Deutsche Philologenverband gibt am 14. September 2021 eine kurze Übersicht auf seiner Webpage über die Behandlung des Themas „Klimawandel“ im Geographieunterricht an deutschen Schulen und stellt fest, dass in den Schulbüchern „eine Vielzahl von Materialien wissenschaftlicher Institute zur Erläuterung und Erörterung des Klimawandels für die Schülerinnen und Schüler zusammengestellt“ ist. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft will „mit Bildung gegen den Klimawandel“ vorgehen und betont die Notwendigkeit, „Climate Literacy in Lehrplänen (zu) verankern.“ In den Lehrplänen aller Bundesländer finden sich mehr oder weniger detailliert ausgeführte Vorschläge zur Behandlung des Themas „Klimawandel“ im Unterricht. Diese Vorschläge beziehen sich auf den tradierten Fachunterricht, nicht auf eine grundlegende Strukturveränderung des Unterrichts, die der Komplexität und Langfristigkeit des Themas angemessen wäre.

Welche Schulbücher behandeln das Thema „Klimawandel“?

Die Zahl der Schulbuch-Verlage ist in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden, beispielsweise wurde der Schroedel-Schulbuchverlag aus Hannover im Jahre 2003 von der Westermann-Gruppe aufgekauft und aufgelöst. Der Weg führt vom klassischen Schulbuch aus Papier weg, hin zu digitalen und virtuellen Medien.  Im Jahre 2022 wird die Schulbuchlandschaft in Deutschland von den Verlagen Ernst Klett, Cornelsen und Westermann bestimmt, ergänzt durch Verlage für didaktische Fachzeitschriften wie Friedrich in Hannover und durch Lehrmittelverlage wie Phywe, Conatex Lernsysteme, Köhler Labor und Lehrmittel Vertrieb. Alle Verlage bieten vielfältige didaktisch-methodisch aufbereitete Informationen, Medien und Lehrmittel für die Behandlung des Themas „Klimawandel“ an. Die Angebotsseite der Schulbuchverlage und der Lehrmittelindustrie kann als gut bezeichnet werden.

Der Cornelsen-Verlag bietet zum Thema Klimawandel eine Cardboard-App in drei Modulen an, mit dem man das Thema in der Virtual Reality erfahrbar machen kann. Die Auswirkungen und die Zusammenhänge des Klimawandels können unmittelbar erfasst werden, für das Erleben der virtuellen Realität muss eine Cardboard-Brille von Google oder einem anderen Hersteller benutzt werden. Cornelsen bietet Materialien zu diesen drei Themen an: Lebensraum Savanne bei Trockenheit. Klima-Modell Treibhauseffekt.  Weltkarten mit Vegetationskarten und Klimazonen.

Der Ernst Klett Verlag bietet über den Online-Zugang „TERRASSE online“ eine große Vielfalt an Unterrichtsmaterialien zum Thema „Klimawandel/Klimaphänomene“ an, von Erklärfilmen und einem Interview mit Luisa Neubauer bis zu zeitgemäßen Medien für den Geografieunterricht sowie didaktisch-methodischen Erläuterungen über das Konzept der nachhaltigen Bildung hin zu Aktivitätenvorschlägen, „was jeder von uns tun kann“. Das Angebot ist sehr umfangreich, aktuell und gezielt auf junge Menschen ausgerichtet.

Der Westermann Verlag bietet vor allem Materialien für den Geografieunterricht an, zum Beispiel das Themenheft „Klima, Klimawandel und Klimafolgen“ der Zeitschrift „Geographische Rundschau“, Jahrgang 2019, Ausgabe 12/2019 (Dezember) sowie den bekannte Diercke Atlas als Spezialausgabe zum Thema „Globaler Klimawandel“ mit umfangreichen Materialien für den Unterricht, weiterhin Topographische Arbeitshefte, ein Buch „Naturwissenschaft heute: Projekt Klimawandel“ für Lehrkräfte, das Sachunterrichtsmaterial „Weltwissen: Klimawandel – Verstehen und aktiv werden“ und weitere Informationsmaterialien.

Welche Unterrichtsmaterialien und welche Medien gibt es zum Thema „Klimawandel“?

Ein besonderes Augenmerk soll auf die Verbreiter von zusätzlichen Unterrichtsmaterialien und Medien gelegt werden, weil diese oft tagesaktueller, umfangreicher und didaktisch-methodisch moderner sind als die reine Faktenvermittlung in Schulbüchern dies leisten könnte.

Das beste und umfangreichste dieser Zusatzmaterialien ist das von der Fakultät für Physik der Ludwig-Maximillians-Universität in München herausgegebene, unter der Mitarbeit von Harald Lesch entstandene, kostenfrei zugängliche Unterrichtsmaterial „Der Klimawandel: verstehen und handeln. Ein Bildungsprogramm für Schulen der Fakultät für Physik der LMU München. Mit Experimenten im Koffer“, Stand: März 2022. Es handelt sich um ein ausgezeichnetes Handbuch mit der Darstellung der wissenschaftlichen Hintergründe, mit Experimentieranleitungen und Handlungsanregungen. Die angebotene Themenpalette ist eindrucksvoll und reicht von der „Erde als ein ganz besonderer Planet“ über das „Verstehen des Treibhauseffekts“ weiter zum „Klimasystem der Erde“, den „anthropogenen Klimawandel“, die „Auswirkungen des Klimawandels“ hin zum „Handeln“ und zu den Experimenten, die man mit dem Klimakoffer ausführen kann. Hier finden Lehrerinnen und Lehrer alles, was sie für den Unterricht zum Thema Klimawandel benötigen.

Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Realisierung der Energiewende gelegt, also die Vermeidung des Ausstoßes von Treibhausgasen durch die Nutzung regenerativer Energiequellen, die Einführung intelligenter technischer Systeme und die Neustrukturierung eines kundenfreundlichen Nah- und Fernverkehrs. Der dazu gehörige Klimakoffer wurde von der Caritas-Werkstatt München-Dachau produziert und kann von dort bestellt werden. Weitere Informationen finden sich auf der Webpage: https://klimawandel-schule.de/de

Weitere interessante und gut aufbereitete didaktisch-methodische Vorschläger für den Physikunterricht und für den fächerübergreifenden Unterricht finden sich in dem Themenheft „Klimawandel im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Gesellschaft“ der Zeitschrift „Naturwissenschaften im Unterricht Physik“ des Friedrich-Verlags Hannover, Heft 183/184, Nr. 3+4 2021, 32. Jahrgang. Dieses Themenheft ist ebenfalls sehr empfehlenswert, nicht nur für Physiklehrerinnen und -lehrer, sondern auch für alle Pädagogen, die einen fächerübergreifenden Projektunterricht realisieren wollen.

Der Autor dieses Essays hatte im August 2010 das Bremer Unterrichtsmaterial „Klimawelten. Spuren, Fakten, Positionen. Unterrichtsmaterialien für den Projektunterricht“ herausgegeben, das im Umfeld des Akteurs orientierten Forschungsprojekts „Klimawandel Unterweser“ entstanden ist. Dieses Unterrichtsmaterial ist ein Beispiel für didaktisch-methodische Materialien die von Arbeitsgemeinschaften, Akteuren, Lehrerinnen und Lehrern und anderen bereits am Beginn der öffentlichen Wahrnehmung des Themas Klimawandel erarbeitet worden sind und publiziert wurden, weil sie dieses Thema für bedeutsam hielten und Unterrichtsmaterialien kostenfrei für alle Beteiligten an Unterrichtsprojekten zur Verfügung stellen wollten. „Klimawelten“ enthält didaktisch-methodische Materialien zu den Themen „Wetter und Klima“, „Der Klimawandel: Ursache und Folgen“, „Umgang mit dem Klimawandel bei uns und in der Welt“, „Strategien zur Anpassung an den Klimawandel“, „Klimawandel in Regionen“, „Klimawandel und Abfallwirtschaft“, „Kulturgeschichte des Klimawandels“, „Zukunft des Klimawandels“. Das Unterrichtsmaterial kann von Fritz Heidorn als pdf.-Dokument bezogen werden.

Welche Jugendgruppen behandeln das Thema „Klimawandel“?

Die Jugendbewegung „Fridays for Future“ hat es in den letzten Jahren mit gut sichtbaren Aktionen in das Licht der Öffentlichkeit geschafft. Ihre Forderungen nach einer klimaneutralen und gerechten Welt untermauern sie durch eine Machbarkeitsstudie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der v1,5-Grad Celsius Grenze“ (2020), die gut als Unterrichtsmaterial dienen kann. Der Beitrag findet sich hier: https://fridaysforfuture.de/studie/ (abgerufen am 5.9.2022).

Welche außerschulischen Bildungseinrichtungen bieten Lernmöglichkeiten zum Thema „Klimawandel“ an?

Klimahaus Bremerhaven

Das Klimahaus Bremerhaven bietet zusätzlich zu seinen hervorragenden und sehr anschaulichen Exponaten, Ausstellungen und Experimentiermöglichkeiten vor Ort verschiedene Bildungsprogramme an, die von einem „Baukasten Klimaschutz“ über den „WeltKulturEntdecker“ bis hin zum „World Future Lab“ gehen, also sehr vielfältige Entdeckermöglichkeiten und Lernangebote sowohl im Klimahaus als auch in den eigenen Schulräumen anbieten. Der Beitrag findet sich hier: https://www.klimahaus-bremerhaven.de/schulen-kitas/planung-des-besuchs/materialien.html (abgerufen am 5.9.2022).

Schülerlabore

Die Schülerlabore an deutschen Forschungseinrichtungen bieten vielfältige Möglichkeiten für junge Menschen an, sich mit naturwissenschaftlich-technischen Experimenten zu beschäftigen und eigene Forschungsfragen zu bearbeiten, die dann für die Schule oder für naturwissenschaftliche Wettbewerbe wie „Jugend forscht“ oder den „BundesUmweltWettbewerb – Vom Wissen zum nachhaltigen Handeln“ eingesetzt werden können. An den Schülerlaboren werden auch aktuelle Fragen der Energieproduktion oder von Klimafragen bearbeitet, zum Beispiel am Schülerlabor Quantensprung des Helmholtz Zentrums hereon in Geesthacht, das sich mit Fragen von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen beschäftigt. Weitere Informationen finden sich hier: https://www.hereon.de/central_units/quantensprung/angebot/erneuerbare_energien/index.php.de (abgerufen am 5.9.2022).

Klimawandel als Querschnittsaufgabe für die Schule

Das Thema Klimawandel ist in Schulbüchern, Unterrichtsmaterialien und in der Unterrichtspraxis vorhanden, wenn auch zumeist nur, zum Beispiel wie im Physikunterricht, als „bestenfalls Anhängsel der tradierten Unterrichtsthemen Energie und Thermodynamik“, wie die Physiklehrkräfte einer Fortbildungsveranstaltung im Physikzentrum Bad Honnef im Mai 2022 feststellen. In der Fachzeitschrift „Naturwissenschaften im Unterricht Physik“ 189/190, Heft 3+4, 2022, des Friedrich Verlags, Hannover, schreiben die Lehrkräfte: „Die Bedeutung von Klimawandel und Klimakrise bleibt in den Curricula hinter den enormen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen weit zurück.“ (S. 96) Die Lehrkräfte wollen „fundiert zur Klimakrise unterrichten“ und fordern Ehrlichkeit im Umgang damit, also das Thema Klimawandel nicht als Anhängsel zu tradierten Lehrinhalten anzusehen, sondern eine klare Orientierung zu geben und Aspekte wie die Kipppunkte zu bearbeiten, sowie das Thema fächerübergreifend zu behandeln: „Klimabildung in der Schule muss daher über Schulfächer hinweg als Querschnittsaufgabe verstanden und strukturiert werden.“

Wir sind damit wieder bei den nicht umgesetzten alten Forderungen der Reformpädagogik oder denen der Bildungspolitik der 1970er Jahre nach fächerübergreifendem und schülerzentriertem Projektunterricht angelangt. Wenn das Thema des Klimawandels in der Schule wirklich zu Verstehensprozessen und langfristigen Handlungsstrategien der Lernenden führen soll, muss eine neue Bildungspolitik dafür sorgen, dass „epochaltypische Schlüsselprobleme“ (Wolfgang Klafki) den Unterricht bestimmen und dass „Sinn-stiftende Ordnungen“ (Gerda Freise, kritische Naturwissenschaftsdidaktikerin in ihrem Essay: „Das Leben – die Naturwissenschaften – die Schüler“ 1983) eine didaktisch-methodische Ordnung für Lernprozesse geben. Man darf in diesem Zusammenhang an die erfahrungsorientierte Projekt-Philosophie der amerikanischen Erziehungswissenschaftler John Dewey und William Heard Kilpatrick erinnern. Kilpatrick hatte im Jahre 1935 ein „Projekt“ definiert als „Begriff des planvollen Handelns aus ganzem Herzen, das in einer sozialen Umgebung stattfindet…“, Erziehung als „Praxis im gegenwärtigen Leben“ definiert und darauf hingewiesen, dass Lehrende und Lernende an ungelösten Problemen gemeinsam arbeiten sollten.

Der Klimawandel ist das gegenwärtig größte und langfristigste  der ungelösten Probleme. Die Komplexität des Klimawandels kann nur durch eine große gesellschaftliche Kraftanstrengung verstanden und die Folgen können nur global abgemildert werden. Unterstützend bedarf es einer neuen Bildungspolitik in Deutschland, die auf Bundesebene zentral koordiniert werden sollte, beispielsweise durch die Einsetzung eines neuen Bildungsrates. Ein „Deutscher Bildungsrat“ hatte als Kommission für Bildungsplanung von 1966 bis 1975 die Neuausrichtung und Modernisierung der Bildung in der Bundesrepublik Deutschland entscheidend geprägt, für die Einführung der Gesamtschule plädiert und den Begriff der Weiterbildung eingeführt, unter anderem durch die Herausgabe von drei wegweisenden Gutachten: „Einrichtung von Schulversuchen mit Gesamtschulen“ (1969), „Strukturplan für das Bildungswesen“ (1970), „Zur Förderung praxisnaher Curriculum-Entwicklung“ (1973).

Die Lehrpläne und Curricula müssen entrümpelt werden und die Lehrenden und Lernenden sollen eine andere Unterrichtsform kennenlernen als den unpersönlichen Fachunterricht: gemeinsames Lernen in Form von gegenwartsbezogenen und selbstbestimmten Projekten. Die Jugendlichen sollen ihre eigenen sinnstiftenden Ordnungen bei den epochaltypischen Schlüsselproblemen entwickeln, um ihre Zukunft gestalten zu können. Das Thema des Klimawandels ist das wichtigste Schlüsselproblem, aber nicht das einzige. Das Thema Klimawandel ist zu schwierig, zu komplex, zu langfristig und auch zu bedrohend, um es in kleinen Häppchen in isolierten Fachsystematiken irgendwo anzuhängen. Das Thema Klimawandel ist andererseits spannend, interessant, vielfältig und widersprüchlich – und damit die konstruktive Herausforderung für zeitgemäße Lernprojekte.


Literatur

Deutscher Bildungsrat: „Einrichtung von Schulversuchen mit Gesamtschulen“ (1969), „Strukturplan für das Bildungswesen“ (1970), „Zur Förderung praxisnaher Curriculum-Entwicklung“ (1973).

Deutscher Philologenverband: https://www.dphv.de/2021/09/14/der-klimawandel-in-schulbuechern-und-unterrichtsmaterialien/

Dewey, John: Demokratie und Erziehung. Eine Einleitung in die philosophische Pädagogik. Braunschweig 1964.

Dewey, John/Kilpatrick, William Heard: Der Projekt-Plan. Grundlegung und Praxis. Weimar 1935.

Flake, S., Cermak, J. und Sprenger, S. (2022) Authentizität beim Lernen – Eine empirische Untersuchung zur Vermittlung des globalen Klimawandels im Geographieunterricht, Zeitschrift für Geographiedidaktik – ZGD, 43(3), S. 233-253. doi: 10.18452/23368.

Freise, Gerda: Das Leben – die Naturwissenschaften – die Schüler. In: Kremer, Armin, Rieß, Falk, Stäudel, Lutz (Hrsg.): Gerda Freise. Für einen politischen Unterricht von der Natur. Reihe Soznat „Kritisches Forum Naturwissenschaft und Schule“. Band 7. Marburg 1994.

Geitmann, Sven: Energiewirtschaft 3.0. Mit Wasserstoff und Brennstoff-Zellen. Hydrogeit-Verlag, Oberkrämer 2012, dritte Auflage.

GEW: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/mit-bildung-gegen-den-klimawandel

Goebel, Tina. 17.2.2021. Kommt die Klimakrise in deinem Schulbuch überhaupt vor? Webpage des Momentum Instituts Wien, Österreich. https://www.moment.at/story/kommt-die-klimakrise-deinem-schulbuch-ueberhaupt-vor

Kilpatrick, William Heard: Die Projekt-Methode. Die Anwendung des zweckvollen Handelns im pädagogischen Prozeß. In: Dewey, John/Kilpatrick, William Heard: Der Projekt-Plan. Grundlegung und Praxis. Weimar 1935.

Klafki, Wolfgang: Allgemeinbildung heute – Grundzüge internationaler Erziehung. In: Pädagogisches Forum, H. 1, 1993, S. 21–28. Nachgedruckt in: Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. Beltz, 6. Auflage 2007

Kobiela, Georg et. al.: „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der v1,5-Grad Celsius Grenze“ (2020). Diskussionsbeitrag für Fridays for Future, 2., korrigierte Auflage. Wuppertal Institut.

Kremer, Armin, Rieß, Falk, Stäudel, Lutz (Hrsg.): Gerda Freise. Für einen politischen Unterricht von der Natur. Reihe Soznat „Kritisches Forum Naturwissenschaft und Schule“. Band 7. Marburg 1994.

Wynes, Seth and Nicholas, Kimberly A. 2017 Environ. Res. Lett. 12 074024: The climate mitigation gap: education and government recommendations miss the most effective individual actions.