Energie für die Energiewende – Besuch beim Offshore Windpark Meerwind Süd/Ost, Helgoland

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Fritz Heidorn

Nach der Bundestagswahl vom 26. September 2021 ergeben sich interessante neue Konstellationen für eine ökologische Modernisierung Deutschlands. Mehrheitlich junge Wählerinnen und Wähler haben die Sozialdemokraten, die Grünen und die Liberalen auf das Siegerpodest gehoben und erwarten nun eine klimafreundliche und sozial gerechte Politik, die das Land nachhaltig umgestaltet. Wir alle, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, werden prüfen können, was tatsächlich passieren wird. Aber unsere Aufgabe ist weitaus größer: Wir müssen mehr tun, als die reine Evaluierung der politischen Strömungen vorzunehmen, wir müssen selbst Teil des Gestaltungsprozesses werden. Möglich ist viel in einem innovativen Umfeld, das jetzt interessant, spannend, anregend und nachahmenswert zu werden verspricht.

Die Energiewende als ökologische Modernisierung

Nehmen wir die Energiewende Ernst, braucht es verschiedene Energieformen, von denen einige nicht-technischer Natur sind, sondern eine sozial-ökologische Ausrichtung haben:

  1. Absichtsenergie. Die Energieform der Politikerinnen und Politiker – jedenfalls jener, die tatsächlich etwas verändern wollen. Gute und ernsthafte Absichten für eine Veränderung der politischen Strukturen und Prozesse im Lande sind gefragt, um reale Innovationen einzuleiten und dauerhaft zu installieren, also nachhaltig zu machen. Wird von manchen auch „Motivation“ genannt. Muss mit „Ernsthaftigkeit“, „Ehrlichkeit“ und „Durchhaltevermögen“ gepaart sein.
  • Verhaltensenergie. Der Umgang der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Durchsetzung einer Strategie. Dieser Wille zur Veränderung betrifft uns alle, beispielsweise diejenigen, die sich jetzt, also im Winter 2021/2022, ein neues Auto kaufen werden. Für sie gilt ohne Umschweife gesagt: Wer sich jetzt noch ein Fahrzeug mit Verbrenner-Motor kauft, handelt kontraproduktiv zu dem notwendigen klimagerechten Verhalten und ist alles andere als der Umwelt zugewandt. Kaufen Sie stattdessen ein Elektroauto oder verzichten Sie auf einen PKW und fahren Sie mit Fahrrad, Bussen und Bahnen!
  • Regenerative Energiequellen: die modernen, umweltfreundlichen und klimagerechten Energieformen aus Sonne, Wind und Wasserkraft sowie aus Geothermie. Dies kann jede und jeder in ihrem und seinem Alltagsleben selbst organisieren, durch die Nutzung von grünem Strom, durch die Stromgewinnung über eine eigene Solaranlage auf dem Dach und durch die Nutzung von Einsparmöglichkeiten. Wer nicht über ein eigenes Solardach verfügt, ist beispielsweise bei „Greenpeace Energy“ und der 100-prozentigen Tochter „Planet Energy“ gut aufgehoben, denn die beiden Unternehmen garantieren eigenen Strom, dessen Herkunft sicher als zertifizierter Ökostrom nachgewiesen ist. Mit den Erlösen finanziert Greenpeace neue Anlagen zur Gewinnung regenerativer Energien. Haushaltsstrom kann grün sein, also rein aus regenerativen Quellen stammen.

 Energie für die Energiewende. Woher soll der Strom kommen?

Wenn die politische Wende hin zu einer ökologischen Modernisierung Deutschlands klappen soll, wird es technische Umsetzungen zu einer klimaneutralen Energiegewinnung und -verteilung brauchen. Woher soll der grüne Strom für die Industrie, Haushalte, Elektrofahrzeuge und die Wasserstoffgewinnung kommen? Was muss passieren, damit eine ökologische Verkehrswende gelingt? Wir bewegen uns hier in vermintem Gelände, denn die Aufstellung von Windrädern an Land zieht oft die Aufmerksamkeit besorgter Bürgerinnen und Bürger auf sich, die keinesfalls in ihrer Nachbarschaft solche Riesen aufstellen wollen und oft auch gute Gründe aus Naturschutzsicht finden, gegen solche Neuanlagen zu protestieren. „Not in my backyard“ heisst dann die Devise des St. Floriansprinzips. Aber wie soll die Energiewende gelingen, wenn niemand zu Kompromissen fähig ist – was wir aber andererseits jetzt von unseren Politikerinnen und Politikern fordern.

Mengenmässig wird es richtig interessant, wenn man sich die Kapazitäten der Offshore-Windanlagen anschaut. Und zwar nicht nur rechnerische Mengenvergleiche anstellt, sondern am besten vor Ort nachschaut, um die Dimensionen zu begreifen. Das kann man tun, von Helgoland aus beispielsweise.

Windenergiepark Meerwind Süd/Ost bei Helgoland

Einen Eindruck kann man sich auf Helgoland verschaffen, dem Roten Felsen 57 Kilometer vor Cuxhaven in der Nordsee gelegen und von Wind und Wellen umtost. Helgoland besitzt eine interessante Geschichte, nicht nur in landeskundlicher Hinsicht, sondern auch durch die Entstehung neuer Ideen von Menschen, die dort für kurze oder längere Zeit gelebt haben. Beispiele sind: James Krüss, der Schriftsteller mit seinen kreativen Jugendbüchern wie Timm Thaler. Oder Werner Heisenberg, der hier im Jahre 1925 an seiner Theorie der Quantenmechanik und der darin enthaltenen Heisenbergschen Unschärferelation gearbeitet hatte. Oder August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der am 16. August 1841 auf der Insel den Text der Deutschen Nationalhymne als „Lied der Deutschen“ schrieb.

In der Gegenwart ist Helgoland ein boomendes Zentrum für die Offshore-Windenergie. Von Helgoland aus werden drei bzw. ab 2022 dann vier Offshore-Windenergieparks versorgt und gewartet, wofür das größte und neueste Hotel der Insel komplett für die Mechaniker langfristig durch Energieunternehmen gemietet wurde, neben der Anmietung zahlreicher privater Unterkünfte. Die Offshore-Windenergieparks liegen zwischen 25 und 39 Kilometern von Helgoland entfernt.

  1. Nordsee Ost, Betreiber RWE Renewables, Leistung 295 Megawatt, seit Mitte 2014 in Betrieb.
  2. Amrumbank West, Betreiber RWE Renewables, Leistung ca. 300 Megawatt, seit 2015 in Betrieb.
  3. Meerwind Süd/Ost, Betreiber WindMV, Leistung ca. 288 Megawatt, seit Anfang 2014 in Betrieb.
  4. Kaskasi, Betreiber RWE Renewables, Leistung 342 Megawatt, Inbetriebnahme Sommer 2022. Die Offshore-Windenergieparks haben Helgoland enorme Steuergelder beschert, die vermutlich auch mit zum Ausbau der Infrastrukturen auf der Insel beigetragen haben, zum Beispiel bei dem Neubau von Wohnungen für die Inselbewohner im Jahre 2019.

Mit dem Halunderjet zum Windenergiepark Meerwind Süd/Ost bei Helgoland

Ein Ausflug mit dem Halunderjet verdeutlicht den Mitfahrenden die Dimension des Projekts Energiewende und zeigt einen kleinen Aspekt dieser Zukunftsausgabe. Der schnelle Katamaran, der täglich die Strecke Hamburg-Cuxhaven-Helgoland und zurück bedient, fährt auch gelegentlich mit einer eineinhalbstündigen Tour von Helgoland zu dem Windpark Meerwind Süd/Ost, der 23 Kilometer von Helgoland entfernt liegt. Hier erzeugen 80 Siemens SWT-3.6-120 Turbinen mit 288 MW Leistung Strom für 360.000 Haushalte. Zu dem Windenergiepark ghören eine Umspann-Plattform und eine Konverter-Plattform sowie die sogenannten „Errichterschiffe“ oder auch „Installationsschiffe“ genannten Arbeitsschiffe mit Schwerlastkran und einer Hubvorrichtung mit vier Verankerungsröhren, die während der Fahrt nach oben stehen und bei den Arbeitsvorgängen im Grund verankert sind. Im Foto ist eines dieser hochgehobenen „Installationsschiffe“ während der Aufstellung einer neuen Windturbine zu sehen.

Der Betreiber „WindMV GmbH“, Bremerhaven, des Windparks Meerwind Süd/Ost gehört zu 20% der „Windland Energieerzeugungs GmbH“ und zu 80% der „China Three Gorges Corporation“, die in China große Wasserkraftwerke betreut. Ohne jetzt auf die globalen Aspekte von Industriepolitik eingehen zu wollen, darf man sich doch die Frage stellen: Warum eigentlich können deutsche Industrieunternehmen solche Projekte nicht allein schultern? Und wie können solche Projekte von der neuen Bundesregierung gefördert werden?

DENA-Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“

Am 7. Oktober 2021 wird die Leit-Studie „Aufbruch Klimaneutralität“ der „dena“ veröffentlicht, des „Kompetenzzentrums für Energieeffizienz, erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme, das zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung beitragen soll. In ihr wird ein Komplett-Design für die Umgestaltung des deutschen Energiemarktes zu einer klimaneutralen Unternehmung vorgestellt, mit der die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden können. Auf der Basis dieser Studie können fundierte strategische Entscheidungen getroffen werden, die durch eine neue Bundesregierung initiiert werden müssen.

Schauen wir nach, was davon umgesetzt werden wird! Machen wir dabei mit in unserem Alltagsleben!