Das Menschheitsexperiment 3

Man hätte es wissen können und man hätte sich vorbereiten können

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte im Jahre 2012 gemeinsam mit Experten aus verschiedenen Bundesbehörden ein Virus-Verbreitungsszenario durchgespielt, das dem realen Verlauf der Covid-19 Pandemie im Frühjahr 2020 fast aufs Haar entspricht. Die Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-Sars“ ist in der Drucksache 17/12051 des Deutschen Bundestages, 17. Wahlperiode vom 3.1.2013 veröffentlicht worden. In dem geschilderten Szenario wird angenommen, dass Deutschland durch ein modifiziertes, von Asien ausgehendes Sars-Virus von einer schlimmen Epidemie getroffen werden könnte. Auf dem Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle sind nach etwa 300 Tagen ungefähr sechs Millionen Menschen an Modi-Sars erkrankt. Das Gesundheitssystem bricht schrittweise zusammen. Nach der ersten Welle folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis nach drei Jahren ein Impfstoff vorhanden ist. Die gesamte Fläche Deutschlands und alle Bevölkerungsgruppen sind nach diesem Szenario von der Epidemie betroffen und zwar über einen langen Zeitraum. Am Ende sind mehr als sieben Millionen Menschen in Deutschland an der Krankheit gestorben.

Die Verfasser der Studie sprechen von einem „reasonable worst case“, also einem annehmbaren schlimmsten Fall. Die Einzelheiten der Studie werden im Anhang der Bundestags­drucksache ab Seite 55 ausführlich vorgestellt. Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird angegeben mit „Klasse C: bedingt wahrscheinlich: ein Ereignis, das statistisch in der Regel einmal in einem Zeitraum von 100 bis 1.000 Jahren eintritt“. Das Krankheitsbild entspricht ziemlich genau dem realen Krankheitsbild von Covid-19 Patienten im Jahre 2020. Die Verläufe werden als dramatisch geschildert:

„Über den Zeitraum der ersten Welle (Tag 1 bis 411) erkranken insgesamt 29 Millionen, im Verlauf der zweiten Welle (Tag 412 bis 692) insgesamt 23 Millionen und während der dritten Welle (Tag 693 bis 1052) insgesamt 26 Millionen Menschen in Deutschland. Für den gesamten zugrunde gelegten Zeitraum von drei Jahren ist mit mindestens 7,5 Millionen Toten als direkte Folge der Infektion zu rechnen. Zusätzlich erhöht sich die Sterblichkeit sowohl von an Modi-SARS Erkrankten als auch anders Erkrankter sowie von Pflegebedürftigen, da sie aufgrund der Überlastung des medizinischen und des Pflegebereiches keine adäquate medizinische Versorgung bzw. Pflege mehr erhalten können.“ (S. 64)

Das Schadensausmaß auf die Gesundheit der Menschen, auf die Volkswirtschaft und auf die immateriellen Schäden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die politischen, psychologischen und kulturellen Auswirkungen sind erheblich. Im weiteren werden in dem Bericht Maßnahmen zur Vorbereitung auf unterschiedlichen Ebenen geschildert, die helfen können, sich auf eine solche Pandemie vorzubereiten und damit die möglichen schweren Verläufe abzumildern, insbesondere durch die Ausarbeitung von Krisenplänen und das Üben von Notfällen. „Die zuständigen Behörden, zunächst die Gesundheitsämter und dort vornehmlich die Amtsärzte, haben Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten zu ergreifen.“ Der Bericht schließt mit der pessimistischen Einschätzung, dass „die zuständigen Behörden im Verlauf des hier geschilderten Ereignisses vor große und mitunter nicht mehr zu bewältigende Herausforderungen“gestellt wären.

Man hätte es also wissen können und man hätte sich besser vorbereiten können, wobei mit „man“ in erster Linie die Politik auf Bundes- und auf Länderebene, die Gesundheitsbehörden und die Krankenhäuser gemeint sind. Sie hätten sich auf einen solchen Katastrophenfall durch die ausreichende Bereitstellung und Lagerung von Schutzmaterialien und die Ausarbeitung und das Einüben von Notfallplänen vorbereiten müssen. Damit ist auch die Einrichtung ausreichender Plätze in Intensivstationen gemeint, andererseits ein radikales Umdenken gefordert für eine Epidemie-Vorsorge in Ballungsräumen mit krankheitsanfälligen Patienten wie alten Menschen und solchen mit Vorerkrankungen. Altersheime, Seniorenzentren, Krankenhäuser und Begegnungsstätten hätten ein vorsorgendes Notfallkonzept gebraucht, was beim Auftreten der ersten Fälle schnell hätte wirksam umgesetzt werden können. Davon ist nahezu nichts realisiert worden. Warum nicht?