Fahrvergnügen: Der Tesla ist da!

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Fritz Heidorn

Technologische Revolutionen begegnen dem Menschen in einem normalen Leben nur recht selten. Diejenigen von uns, die an den zeitlichen Nahtstellen von solchen gesellschaftlichen Veränderungen leben und ihrer teilhaftig werden, haben großes Glück – und sie sollten es mit ihren Händen greifen, festhalten und daraus lernen.

Die Zeit des Umstiegs von der Pferdekutsche zum Automobil war eine solche technologische Revolution, die Einführung des Telefons, des Radios, des Fernsehers und des Personal Computers waren es ebenfalls, denn sie veränderten das Alltagsleben und zogen einen kulturellen Wandel nach sich. Dabei ist festzuhalten, dass beim Umstieg von einer Technologie auf eine andere das Produkt eigentlich gar nicht das entscheidende Innovationsprojekt ist, sondern der damit einhergehende kulturelle Wandel und die gesellschaftlichen Veränderungen in der Nachfolge der Einführung der neuen Technologie. Der kulturelle Wandel ist das eigentlich Neue. Kultureller und gesellschaftlicher Wandel leiten einen gesellschaftlichen „Paradigmenwechsel“ ein, wie es der Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn im Jahre 1962 als Begriff für naturwissenschaftliche Erkenntnisrevolutionen beschrieben hatte. Das alte Erklärungssystem ist nicht mehr stimmig zur Interpretation neuer Daten und deshalb muss das alte Erklärungssystem durch ein neues ersetzt werden.

Hier folgt ein Erfahrungsbericht über einen persönlichen Kulturwandel: die Anschaffung eines Elektromobils.

Tesla Model 3 Long Range

Der Tesla ist da! Ein nagelneues Model 3 Long Range in metallic Blue steht vor der Garage, in der unser Hauselektriker aus der Nachbarschaft einen (auch für ihn neue Tätigkeit) 11-kW-Tesla Wallcharger angeschlossen hat. Wir haben lange überlegt, diesen Schritt zu gehen und haben es jetzt getan. Warum? Was bringt das Elektroauto? Wie ist das Fahrgefühl?

Vor vier Jahren wollten wie ein neues Auto kaufen, weil die Fahrwege allein mit dem DB-Nahverkehr zu schwerfällig und das Carsharing-System nicht ausreichend war in Oldenburg. Wir entschieden uns für einen umweltfreundlichen Peugeot 308 HDI-Blue-Diesel nach der Euro 6 D-TEMP Norm, der, als die Diesel-Skandale der deutschen Automobil-Industrie am Kochen waren, als relativ umweltfreundlich galt und eine geringen Dieselverbrauch hatte, der uns eine Langstrecke von ungefähr eintausend Kilometer fahren ließ.

Euro 6d-TEMP ist die gültige Abgasnorm seit dem 1. September 2019. Der ADAC lobte in einem Beitrag vom 23.4.2019: „Euro-6d-TEMP-Diesel stoßen durchschnittlich 76 Prozent weniger NOx aus als Euro-6b-Diesel und 85 Prozent weniger als Euro-5-Diesel. Stichproben bei Messungen auf der Straße haben gezeigt, dass die Schadstoffreduzierung bei guten Euro-6d-TEMP-Dieseln im Vergleich zu durchschnittlichen Euro-5-Dieseln sogar bei 95 bis 99 Prozent liegt.“ https://www.adac.de/verkehr/abgas-diesel-fahrverbote/abgasnorm/euro-6d-temp/. Abgerufen am 1.4.2021. Dennoch waren uns die Abgaswerte immer noch zu hoch und wir haben unser Ziel, ein abgasfreies Elektro-Auto zu fahren, nicht aus dem Auge verloren.

Nun, Ende März 2021, ist es Realität geworden, der Tesla Model 3 Long Range ist da.

Tesla Model 3: Umweltbilanz

Abgasfrei, aber die Batterieproduktion …, so hört man oft, wenn es um die Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen geht. Auf welcher Grundlage sind die Berechnungen angestellt worden – und wer finanziert eigentlich die Forschungen? Man darf ruhig skeptisch sein, was Zahlen, Daten und Fakten angeht – und muss nachprüfen, vergleichen und selbst bewerten. Mir war schon vor längerem aufgefallen, als ich Informationen über Elektrofahrzeuge und insbesondere über Tesla in deutschen Automobil-Zeitschriften gesucht habe, dass diese recht selten waren. Selbst heute, im März 2021, sind Berichte über Tesla Autos im deutschen Autoblätterwald noch immer schwer zu finden. Die deutsche Automobil-Industrie regiert dort – und bezahlt vermutlich auch.

Also: der ökologische Rucksack eines Tesla Model 3: Glaubt man einer viel zitierten Studie des Ifo-Instituts[1], dann schützen Dieselfahrzeuge das Klima besser als Elektroautos. Schaut man genauer hin, wie dies beispielsweise die Wirtschaftswoche getan hat, verändert sich die Einschätzung vollständig. Der SPIEGEL zieht ebenfalls weitere Studien hinzu und kommt zu ganz anderen Schlüssen, wenn man nicht den üblichen Strom-Mix in Deutschland für das Laden zugrunde legt, sondern Ökostrom einrechnet. Tanken mit Ökostrom macht einen entscheidenden Unterschied und wir haben uns für den Bezug von zertifiziertem Ökostrom von Greenpeace mit Nachweisgarantie entschieden. Der SPIEGEL bilanziert:

„Die Studie rechnet das Elektroauto schlecht – vor allem, weil sie allein vom Status quo in Deutschland ausgeht und von einer relativ CO2- intensiven Herstellung der Batterien. Doch beides soll und wird sich ändern – und so die CO2-Bilanz von Elektroautos deutlich verbessern. Hinzu kommt, dass E-Auto-Besitzer bereits heute ihr Auto in Deutschland mit Ökostrom tanken können – und dies auch tun und so die Nachfrage nach sauberem Strom ankurbeln. Zudem darf mit einer längeren Laufzeit als 150.000 Kilometer gerechnet werden. Unter Idealbedingungen kommt ein Tesla Model 3 mit großer 75-kWh- Batterie so auf einen CO2-Ausstoß von nur noch 31 Gramm pro Kilometer – statt der berechneten 155 Gramm.“

https://www.spiegel.de/auto/aktuell/e-auto-schlechtgerechnet-die-ifo-studie-zur-co2-bilanz-a-1263622.html. Abgerufen am 1.4.2021.

Verschiedene neuere Studien, die von der „Auto-Zeitung“ zitiert werden[2], attestieren Elektrofahrzeugen eine größere Klimafreundlichkeit als Benzinern oder Dieselfahrzeugen, wenn man ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet. Nach einer Studie der Universität Eindhoven aus dem Jahre 2020 verursacht ein Tesla Model 3 ungefähr 65 Prozent weniger CO2 als ein vergleichbarer Mercedes C220 d. Die Laufzeit moderner Batterien wird nunmehr mit 500.000 Kilometern angegeben. Der Nachteil der energieintensiven Produktion von Elektroautos egalisiert sich bereits nach 30.000 Kilometern Fahrleistung.

Tesla Model 3: Kosten

Das Tesla Model 3 Standard kostet in der kleinen Version ungefähr 40.000 € bei einer Reichweite von 448 km nach WLTP, wobei der Herstellerseitige Umweltbonus in Höhe von 3.000 € von Tesla bereits abgezogen wurde und der Umweltbonus der Bundesregierung über das BAFA in Höhe von weiteren 6.000€ beantragt werden muss. Das Fahrzeug kostet die Verbraucher also ca. 34.000€ und ist obendrein zehn Jahre lang von der Steuer befreit. Das Tesla Model 3 Long Range mit einer Reichweite von 580 km nach WLTP kostet ca. 50.000 € abzüglich 6.000€ Umweltbonus, also 44.000€. Ein Tesla Wallcharger kostet 530€.

Fahrvergnügen

Fahrvergnügen – diesen Begriff hatte Volkswagen vor einigen Jahrzehnten für die Werbung ihrer Modelle in den USA benutzt. Heutzutage gilt das Attribut für das Fahren von Tesla-Modellen – und man kann es schwer beschreiben, sondern muss das Fahrvergnügen im Tesla selbst erleben. Schauen Sie sich die Fahrberichte auf Youtube an! Buchen Sie eine Probefahrt über die Tesla-Webpage, es lohnt sich und wird Sie überzeugen!

Wenn man in einen Tesla einsteigt, fällt zuerst der 15 Zoll große Touchscreen auf, die Steuerzentrale des Fahrzeugs. Hierüber lassen sich alle Bedienelemente zugreifen. Alle diejenigen, die einen Tablet-Computer bedienen können, werden sich im Tesla sofort zuhause fühlen. Man kann auch die Tesla App auf dem Smartphone nutzen und bereits vor dem Einsteigen die Innentemperatur an seine Bedürfnisse anpassen, also beispielsweise im Winter in ein vorgewärmtes Fahrzeug einsteigen. Die Reichweite und der Zustand werden angezeigt, sodass man weiß, wie weit man mit dem Tesla fahren kann. Das Interieur ist schlicht, modisch, aufgeräumt. Die Einstellung von Sitzen, Lenkrad, Rückspiegeln, Radio funktioniert einfach über den Bildschirm.

Das Fahren des Tesla ist anders, als wir es von Verbrennern gewohnt sind. Es gibt kein Motorengeräusch, kein Gaspedal, das den Motor aufheulen lässt, sondern ein leises Rollen bewirkt. Das Fahrzeug ist still beim Einsteigen, sofort fahrbereit, produziert keine Geräusche und ist leise, wenn man losfährt. Nur die Musikanlage ist laut und raumfüllend, wenn man es laut mag, der Klang ist exzellent. Der Tesla fährt langsam an, wenn man auf das Gaspedal drückt und bremst, ohne das Bremspedal zu strapazieren, weich ab, an der Ampel beispielsweise. Und er ist auch in der Beschleunigung immer noch leise, sodass man als Fahrerin oder Fahrer auf die Fußgänger aufpassen muss, die das Fahrzeug nicht kommen hören. Achten Sie auf Ihre Umgebung!

Man kann rasend schnell mit dem Tesla fahren und das ist nicht ganz ohne. Das Model 3 Long Range beschleunigt von 0 auf 100 km/h in 4,4 Sekunden. Ein echter Sportwagen also, man könnte es mit einem Porsche oder BMW aufnehmen – sowohl in der Anfangsbeschleunigung als auch in der Höchstgeschwindigkeit. Das Fahrverhalten ist einwandfrei, das Auto liegt gut in der Kurve, beschleunigt sehr ordentlich und bremst vorsichtig wieder ab. Und es ist immer noch leise! Keine Motorgeräusche sind zu hören, kein Klappern der Ventile, kein Ölwechsel ist nötig – und an den Tankstellen für Superbenzin und Diesel kann man freudestrahlend vorbeifahren, ohne Tanken zu müssen. Fahrvergnügen pur, probieren Sie es aus!

Paradigmenwechsel

Nach einigen Ausflügen mit dem Tesla Model 3 Long Range wird einem bewusst, dass man es hier mit einer anderen Technologie zu tun hat. Das Verbrenner-Automobil ist Vergangenheit, die Zukunft gehört einem anderen Energiekonzept, in dem der Mix aus einem guten öffentlichen Nah- und Fernverkehr im Zusammenspiel mit emissionsfreien Elektrofahrzeugen und Brennstoffzellen-Fahrzeugen bestehen wird, die von Solarenergie oder grünem Wasserstoff angetrieben werden. Die Gegenwart ist eine Art Versuchsstadium, in dem sowohl neue technische Lösungen als auch gesellschaftlich vorgegebene Infrastrukturmaßnahmen erprobt werden. Wir alle können zu diesem Paradigmenwechsel beitragen, durch Teilnahme an politischen Diskussionen und durch die private Nutzung der modernen emissionsfreien und klimafreundlichen Technologien.

Ökotopia

Praktizierter Umweltschutz, Förderung nachhaltiger, sanfter Technologien, Verzicht auf die Nutzung fossiler Energieträger, Fokussierung auf nachbarschaftliche und kulturelle Innovationen – das sind die Wendemarken, die mit dem Fahren eines Elektromobils verbunden sind. Der Tesla kommt aus dem Land, in dem die ersten Ideen für eine sanfte Revolution entstanden sind. Nein, nicht die Ingenieurs-Nation Deutschland ist damit gemeint. Auch nicht die Vereinigten Staaten von Amerika, die USA. Sondern Ökotopia, das Land im Westen der USA, das sich vor fünfzig Jahren von den USA abgespalten hat, um einen kulturellen Wandel einzuleiten – leider nur in der Literatur.

Die ökologische Utopie ist von Ernest Callenbach in seinem Buch „Ecotopia“ (1975, deutsche Ausgabe: „Ökotopia. Notizen und Reportagen von William Weston aus dem Jahre 1999“, 1978) entworfen hatte. Callenbachs ökologische Utopie für Kalifornien wurde im Jahre 1975 veröffentlicht und schildert das Leben in einer ökologisch ausgerichteten kalifornischen Gesellschaft im Jahre 1999, die im Gegensatz zur Lebensweise im Rest der USA nachhaltig (obwohl dieser Begriff damals noch nicht gebräuchlich war) und mit angepassten Technologien versehen war. Der Reporter William Westons aus den USA berichtet vom Leben in Ökotopia, das sich 25 Jahre zuvor von den USA abgespalten und im Gebiet des heutigen Oregon, Nordkalifornien und Washington ein alternatives Gesellschaftsmodell realisiert hat. Das Buch war ein Vorläufer für realistisch erscheinende alternative, utopische Gesellschaftsmodelle mit emissionsfreien Energieproduktionen und gemeinschaftlichen Lebensweisen, die in den nächsten Jahrzehnten in den USA und in Europa diskutiert und Schritt für Schritt umgesetzt werden sollten.

Die Visionen von Ernest Callenbach bestimmen vierzig Jahre später mindestens ansatzweise tatsächlich die Lebensrealität in den sich nun grüner gebenden Industrienationen des Jahres 2021, in denen emissionsfreie Technologien, Elektrofahrzeuge und „grüner“ Wasserstoff auf der Tagesordnung stehen. Im Nachwort zu der „30th Anniversary Edition“ von „Ecotopia. The Notebooks and Reports of William Weston” (1975, 2004, Bayan Tree Books in association with Heyday Books, Berkeley, California) schreibt Ernest Callenbach über die Entstehung und Rezeption seines Romans aus dem Jahre 1975, dass das Manuskript von zwanzig Verlagen in New York zurückgewiesen worden sei und das Buch nur durch eine Spendenaktion von Freunden habe publiziert werden können. Dieses Finanzierungsmodell ist ein gutes Beispiel für das, was man heutzutage eine „Crowdfunding-Aktion“ nennt“ und ist damit ebenfalls seiner Zeit vorausgegangen. Aus einer kleinen Erst-Auflage von einigen hundert Exemplaren ist eine Druckauflage von fast einer Million Exemplaren in neun Sprachen geworden. Bantam Books hat eine große Taschenbuch-Auflage gedruckt und das in Deutschland im Rotbuch-Verlag erschienene Buch hat die Gründung der grünen Partei inspiriert. Callenbach hat drei Jahre an dem Buch geschrieben und erwähnt die ausführliche und gründliche Recherche für das Buch, die auf innovativem Denken beruhe.

„We were experiencing, in the seventies, an exciting new burst of ecological research and technological innovation, but nobody had yet thought through the implications for the way we live. The very concept of ecological sustainability, as we now understand it, was just coming into view. Looking back, it seems clear that Ecotopia was the first attempt to portray a sustainable society and that this, rather than its modest literary merit, explains its durability.”

„In den siebziger Jahren erlebten wir einen aufregenden neuen Schub an ökologischer Forschung und technologischer Innovation, aber noch hatte niemand über die Auswirkungen auf unsere Lebensweise nachgedacht. Das Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit, wie wir es heute verstehen, war gerade erst in Sichtweite. Rückblickend scheint es klar, dass Ökotopia der erste Versuch war, eine nachhaltige Gesellschaft zu porträtieren, und dass dies, und nicht sein bescheidener literarischer Verdienst, seine Haltbarkeit erklärt.“

Die sanfte Revolution

Das Tesla Model 3 kommt aus Kalifornien, dem literarischen Ökotopia. Das Fahren mit einem Tesla vermittelt der Fahrerin und dem Fahrer im Deutschland des Jahres 2021 das Kennenlernen einer technologischen Innovation, aber auch ein wenig von dem kulturellen Wandel der sanften Revolution in Kalifornien der 1970er Jahre und schickt damit ein bisschen Sonnenschein, Wärme und Freiheitsgefühl zu uns. Wenn man an die Pioniere aus dem Silikon Valley denkt, beispielsweise an den Tesla-Chef Elon Musk, kann man seinem Biografen Ashlee Vance folgen, der in dem Buch „Elon Musk. Tesla, Paypal, SpaceX. Wie Elon Musk die Welt verändert“ (2015) mit leicht ironischer Konnotation schreibt:

„Kaufen Sie einen Tesla, dann können Sie das, was Sie dem Planeten angetan haben, für eine Weile vergessen.“


[1] https://www.ifo.de/DocDL/sd-2019-08-sinn-karl-buchal-motoren-2019-04-25.pdf. Abgerufen am 1.4.2021.

[2] Christina Finke: EU-Kommission will „grüne“ Batterien. Auto Zeitung online, 10.12.2020.